Bayerische Geschichte(n), 14/2020: Zeit für starke Frauen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Muttertag ist nur einmal im Jahr, dabei sollten wir Mütter jeden Tag hochleben lassen. Sie sind Herz, Hirn und Rückgrat ihrer Familie und leisten jede auf ihre Art Herausragendes – ganz gleich, ob sie die Erziehung ihrer Kinder alleine stemmen, die Meisterinnen des familiären Patchworkens sind, abends eine halbe Fußballmannschaft am Esstisch satt bekommen oder zwischen Büro, Wochenmarkt und Waschmaschine immer offene Augen, Ohren und Arme für ihre Lieben haben. All diesen starken Frauen widmen wir unsere Buch- und Geschenktipps, denn sie haben es – nicht nur zum diesjährigen Muttertag am 10. Mai – mehr als verdient.

Mit dieser Einladung in ein Künstler-Idyll am Chiemsee hat die Buchreihe „Vergessenes Bayern“ ihren Anfang genommen: „Die Fraueninsel“ heftet sich an die Fersen von vier außergewöhnlichen Frauen – alle einst gefeierte Künstlerinnen –, die um 1900 mitsamt ihren Familien Teil der berühmt-berüchtigten Künstlerkolonie mitten im Chiemsee waren. Ausgewählte Werke der Schriftstellerinnen, Dichterinnen und Malerinnen Emma Haushofer-Merk, Carry Brachvogel, Marie Haushofer und Eva Gräfin von Baudissin können hier nach langer Zeit wieder erlesen und neu entdeckt werden, ergänzt um die Biografien der vier Frauen und Hintergründe zu der bewegten Zeit, in der sie lebten und arbeiteten, sowie zur uralten Kultur der Fraueninsel. Schnell öffnet sich der Blick auf ein kleines Paradies: Dem Zauber der Insel, ihrer Schönheit und anregenden Atmosphäre verfielen schon die Künstler vor über 100 Jahren – heute ziehen ihre Texte die moderne Leserin in ihren Bann.

1914, Beginn des Ersten Weltkriegs: Im November des Jahres kehrt die Schriftstellerin und Ikone der Schwabinger Bohème Franziska zu Reventlow nach München zurück und ist fassungslos. Die einst so freie, kosmopolitische Hauptstadt Bayerns ist ganz vom preußischen Militarismus durchdrungen, das Säbelrasseln und der blinde Hurra-Patriotismus stoßen die Literatin ab. Und diesem Wahn soll sie ihren kaum erwachsenen Sohn Rolf opfern? Als Rolf 1916 an die Westfront beordert wird, setzt seine Mutter Himmel und Hölle in Bewegung, um ihm mit der Desertion das Leben zu retten – und hält alles in einem bewegenden Tatsachenbericht fest. Lange war der sehr persönliche Text verschollen, in der Reihe „Vergessenes Bayern“ wurde er zum ersten Mal veröffentlicht: Reventlow berichtet von der Verblendung der Europäer, von elenden Hungerzeiten in München, militärischer Schikane, einem wirren Spitzel- und Denunziantenwesen – und liefert den besten Beweis, dass Mutterliebe durch nichts aufzuhalten ist.

Dieses Buch schafft den Spagat: Es vereint die Geschlechter in ihrem Streben nach Freiheit und Glück und zeigt, welche Charakterköpfe diese Ziele besonders unerschrocken und einfallsreich verfolgten und sich dabei keinen Deut um das Urteil der Welt scherten. Gaby Kilian zeichnet die Lebenswege dreier „Teufelskerle“, vor allem aber von drei beeindruckenden „Katastrophenweibern“ im besten Sinne nach. Akribisch recherchiert und mit leichter Hand im Stil des historischen Romans erzählt, öffnen die sechs Biografien das Fenster in längst vergangene Zeiten: von Lena Christ, die sich gegen alle Widrigkeiten ihren Platz auf dem literarischen Olymp erkämpfte, über Kurfürstin Maria Leopoldine, die ihr Bayern durch Streik im Ehebett vor dem Verkauf an Österreich rettete, bis zur Regensburger Gürtlertochter Barbara Blomberg, Geliebte von Kaiser Karl V. und Mutter des berühmten spanischen Flottengenerals Juan de Austria, die sich im 16. Jahrhundert mit einer stadtbekannten Bordellbesitzerin erfolgreich gegen die Obrigkeit verbündete.

  • Hope
    ISBN: 978-3-86222-240-7
    16,90

„Wie aussichtslos ist jeder Befreiungskampf der Frau, der nicht den Mann mitbefreit … Ist er nicht der Frau ebenso gewachsen wie sie ihm?“, schrieb Dr. Hope Bridges Adams Lehmann gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ein atemberaubend moderner Gedanke, der heute noch nicht selbstverständlich ist – zur Lebenszeit der Ärztin und Reformerin war er revolutionär. Dabei befasste sich Dr. Hope Bridges Adams Lehmann mehr nebenbei mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. Als erste Frau, die in Deutschland 1880 ein medizinisches Staatsexamen ablegte, unterhielt sie u. a. eine Praxis in München, erzog ihre Kinder als berufstätige Mutter zu frei denkenden Menschen, war Freundin und Gastgeberin von Clara Zetkin, August Bebel und Lenin – und setzte sich zuvorderst für eine Gesundheitsvorsorge und Krankenbehandlung ein, die endlich auf Frauen, besonders Schwangere, zugeschnitten war. Ihr verdanken wir die Abkehr vom Korsett, das Krankenhaus unserer Moderne und den zweisprachigen Kindergarten. Marita Krauss hat Dr. Hope in ihrer Biografie ein begeisterndes Denkmal gesetzt.

Die Rolle der Amazonen stand ihnen gut: Von 1894 bis 1933 kämpften beeindruckende Frauen wie Anita Augspurg, Helene Böhlau, Emmy von Egidy und viele mehr für gleiches Recht auf Bildung, Beruf und Eigenständigkeit. Sie alle waren Mitglied im „Verein für Fraueninteressen“, dem Flaggschiff der Bewegung. Was heute kaum einer weiß: München war das Zentrum der Frauenrechtlerinnen, die eine Erneuerung der Gesellschaft nur gemeinsam, nicht in Gegnerschaft zu den Männern erreichen wollten. Partnerschaft, Familie und die Erziehung ihrer Kinder weitab von antiquierten Rollenbildern waren ihnen ungemein wichtig. „Evas Töchter“ zeigt das Leben und Wirken jener Frauen, bringt Originaltexte und erläutert die geschichtlichen Hintergründe. Opulentes Bildmaterial – oft bislang unbekannte historische Aufnahmen –, Briefe und Skizzen ermöglichen dazu intime Einblicke. Eine kleine Sensation ist die Erstveröffentlichung des Festspiels, das von den streitbaren Münchnerinnen 1899 zum krönenden Abschluss des ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags aufgeführt wurde – Amazonenkostüme inklusive.

Es gibt schier unendlich viele Spielarten der Liebe, aber Mutterliebe ist unzweifelhaft eine der schönsten und kraftvollsten. In den bayerischen Märchen der Sammlung von Franz Xaver von Schönwerth – einem Zeitgenossen der Gebrüder Grimm, der gezielt im Königreich Bayern nach alten, mündlich überlieferten Geschichten forschte – ist sie oft genug der Schlüssel zur Rettung und öffnet den Weg zum Glück. Überhaupt kommt den weiblichen Figuren in Schönwerths Texten eine viel stärkere Rolle zu als den oft einfältigen, passiven Prinzessleins der bekannten Märchen. Hier treten tapfere Mädchen und Frauen aller Stände auf, Kämpferinnen, Heldinnen voller Wildheit und Energie. Sie erkennen ihre verloren geglaubten Liebsten trotz jeder Verzauberung, bringen die schwersten Opfer, um sie zu erlösen, bezwingen jede Gefahr und wandern so weit, dass ihre Männer eiserne Schuhe durchlaufen, um ihnen zu folgen … Erika Eichenseer hat die schönsten bayerischen Märchen zu Liebe, Herzschmerz, Trennung, Versöhnung und Erlösung in einem Buch vereint, behutsam bearbeitet und mit kurzen Bonustexten zu Herkunft und Bedeutung der uralten Geschichten versehen.