Bayerische Geschichte(n), 24/2018: Historische Bräuche der Bayern

Liebe Leserin, lieber Leser,
das bayerische Lebensgefühl wird seit Jahrhunderten von Kirchweih und Erntedank geprägt, von Pferdeumritten und Kräuterweihen, Maiandachten, Wetterläuten und Johannisfeuern. Viele dieser Bräuche und Feste werden noch gepflegt oder gerade wiederentdeckt, andere dagegen drohen, in Vergessenheit zu geraten. Karl Baum hat sie gesammelt und damit ein lebendiges, kompaktes und persönliches Buch gefüllt. Er erzählt anhand des Jahreslaufs von vertrauten und lieb gewonnenen Ritualen, regionalen Kuriositäten und von den vielen Feiertagen, die das alte Kirchen- und Bauernjahr noch kannte.

Der alte Advent, wie ihn unsere Eltern und Großeltern noch feierten, konnte fast täglich mit einem bestimmten Brauch oder Fest aufwarten. Dabei war der Andreastag am 30. November die Zäsur zum Adventsanfang und hatte für das Kirchenjahr die gleiche Bedeutung wie Silvester für das weltliche Kalenderjahr. Aber vor der staden Zeit stand die Andreasnacht: eine Losnacht, in der man mit dem ein oder anderen Hilfsmittel oder passenden Spruch in die Zukunft sehen konnte. Heiratswillige Mädchen traten früher zum Beispiel ihr Bettbrett unter dem Strohsack und rezitierten dabei:

Bettbrett i tritt di,
heiliger Andreas i bitt di,
lass mir erschein‘,
den Herzallerliebsten mein‘.

Waren Flüsse und Seen einmal zugefroren, wurde geradezu exzessiv der wohl ältesten Wintersportart Mitteleuropas gefrönt: Im Alpenraum ist schon 1427 eine Partie Eisstockschießen dokumentiert. Früher hatte auf dem bayerischen Land fast jeder Bub seinen eigenen Eisstock, oft vom Vater recht primitiv, aber zweckmäßig selbstgeschnitzt. In Schrobenhausen, der Heimat des Autors Karl Baum, gab es eine Kuriosität: Das „Kniaranklschiaßn“ – zwei Mannschaften kämpften dabei offiziell um ein „Kniarankl“, den gepökelten Teil der hinteren Schweinshaxe zwischen Fuß und Schlegel. Die eigentliche Siegprämie war aber ein gutes Essen im Wirtshaus, bezahlt von den Verlierern.

Nach dem Aberglauben des Lostags und dem weltlichen Spaß auf der Eisbahn wurden und werden die Feiern immer ruhiger, je näher es auf Weihnachten zuging. Ein sehr inniger Brauch, der die Abende vor dem 24. Dezember einst einnahm, erinnert an die Herbergssuche des Paares Maria und Joseph in Bethlehem vor über 2.000 Jahren: Beim Frauentragen wird ein Marienbild oder eine Statue der Muttergottes von Haus zu Haus getragen, sodass jede Familie im Dorf Maria eine Nacht lang beherbergen und bei einer kleinen Andacht mit Gebet und Kerzenschein zur Ruhe kommen kann. Die frühesten schriftlichen Erwähnungen des Brauchs stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, neuerdings verbreitet er sich wieder verstärkt im österreichischen Tirol und in Teilen Bayerns.