Bayerische Geschichten 11/2021: Expedition ins Berchtesgadener Land

Liebe Leserin, lieber Leser,

wer von Ihnen kennt den Ort, an dem man einer versteinerten Hexe auf die Brust steigen kann – vorausgesetzt man hat die Kondition für den Aufstieg? Wer von Ihnen weiß, dass Sie Murmeltieren und Gämsen in der Wildschutzzone des Nationalparks Berchtesgaden viel näher kommen können als anderswo, weil die Tiere keine Scheu vor Menschen haben, sondern nur vor ihren Waffen? Von Waging über Bad Reichenhall bis hin zum Königssee führen Nikola Hollmann und Andrea Slavik Sie zu mystischen Orten und alten Kraftplätzen, die nur darauf warten, von Ihnen entdeckt und erlebt zu werden.

In der bayerisch-österreichischen Grenzregion ist man auf dem Königsweg zum Königsberg unterwegs. Hier in der Kernzone des Nationalparks Berchtesgaden wird die Natur noch sich selbst überlassen. Dem aufmerksamen Beobachter wird oberhalb der Königsbachalm ein Stein in der Wiese auffallen, der wie ein Sessel aussieht und Assoziationen mit einem Thron weckt – ein kleiner Vorgeschmack auf das wohl mystischste Tal der ganzen Region, das Königstal unterhalb der Bärenwand. Hier scheint jeder Stein ein Gesicht zu haben. Höhepunkt der Tour ist der grandiose Panoramablick vom Gipfel des Königsbergs, der nicht einmal der höchste der umliegenden Berge ist. Und wer Glück hat, kann in der Abgeschiedenheit der Berge zwischen Bayern und Österreich sogar einem echten „Mankei“ begegnen.

Das Schneibsteinhaus im Licht der Nachmittagssonne. (Fotos: Nikola Hollmann/Andrea Slavik)

Der Thumsee ist ein beliebter Badesee

Historische Pfade betritt man auf der 2,5 Kilometer langen Wanderung von Karlstein zum Thumsee und über St. Pankraz. Hier führt ein alter Soleleitungsweg entlang. Historische Stätten erinnern daran, dass das Salz der Region nicht nur Reichtum und Arbeit beschert hat, sondern auch kriegerische Auseinandersetzungen; vor allem der Salzburger Erzbischof und der bayerische Herzog kämpften um das Salzmonopol sowie um den Zugang ins Reichenhaller Tal. Zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert stand der Burg auf dem Karlstein, die heute nur noch eine Ruine ist, eine Gegenburg gegenüber. Reste einer Zollstation zeigen, welchen Machtfaktor die Beherrschung der Straße damals darstellte.

Eine leichte Tour führt über 10,5 Kilometer von Maria Mühlberg bei Waging nach Sankt Leonhard am Wonneberg. Startpunkt ist die Wallfahrtskirche, an deren Stelle einst ein Birnbaum stand, um den sich eine Legende rankt: Auf dem Nachhauseweg begegnete die Magd Eva einer in himmlische Gewänder gekleideten Frau, die drei Mal um den Baum herumging. Als Eva sich der Gestalt näherte, verschwand diese und hinterließ nur ein kleines Abbild der Ettaler Madonna. Die Tradition der Anbetung der Muttergottes geht auf das Jahr 1668 zurück. Damals unternahm der Bauer, dem das Land auf dem Mühlberg gehörte, eine Wallfahrt in das bei Garmisch-Partenkirchen gelegene Ettal und brachte von dort ein Marienbild mit. Bereits kurz nachdem die Madonna gerahmt und an den Birnbaum gehängt worden war, begannen die ersten Wallfahrten. Nirgendwo in der Region sind so viele und so alte Votivtafeln erhalten wie hier, was die Kirche zu einer Besonderheit macht, denn die ältesten dieser Tafeln sind noch heute in der Kirche zu sehen.

Blick auf das Wasserbecken im Ramgraben