Bayerische Geschichte(n) 03/2011: Pionier, Hasardeur, Spekulant

Liebe Leserin, lieber Leser,

Joseph von Utzschneider (1763-1840) war Pionier einer neuen Zeit (Bild: SV Bilderdienst).

er war ein einfacher Bauernsohn vom Land, spekulierte und schaffte es als Selfmademan, Tausendsassa und Hasardeur zum reichsten Unternehmer in München. Er wurde hier sogar Bürgermeister – bevor er wieder alles verlor und verarmt starb.

Im beginnenden 19. Jahrhundert war Joseph von Utzschneider ein Mann der Tat. Er wusste die Möglichkeiten zu nutzen, die sich dem Bürgertum damals boten, und stürzte sich wagemutig in unternehmerische Abenteuer. Kein Wirtschaftszweig, kein noch so risikoreiches Unterfangen war ihm zu heikel.

Vor der Moosacher Chemiefabrik zeigen sich die Zeugen einer Zeit des Wandels: Eine Pferdekutsche wie zu Zeiten Utzschneiders, aber auch eine Dampfmaschine und ein Automobil als Repräsentanten eines neuen Zeitalters (Foto um 1910, Stadtarchiv München

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Mit Münchens wirtschaftlichem Aufstieg assoziiert man wohl am ehesten den Salzhandel oder das Brauereiwesen, aber wer würde die Landeshauptstadt schon mit Leder in Verbindung bringen? Und doch: Utzschneiders 1801 errichtete Lederfabrik verarbeitete jährlich abertausende Häute und war seinerzeit das bedeutendste Unternehmen Münchens. Als unter Napoleon eine Kontinentalsperre verhängt wurde, gründete er kurzerhand in Giesing und in Erching bei Freising die allerersten bayerischen Raffinerien für Rübenzucker. 300 Personen beschäftigte er alleine in seiner Tuchfabrik: Joseph von Utzschneider war ein wahrer Wirtschaftsmotor für München.

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Der Energiehunger des industrialisierten München stieg unablässig. Als drittes städtisches Elektrizitätswerk wurde das Dampfkraftwerk an der Isartalstraße 1899 in Betrieb genommen (Stadtarchiv München).

1809 gründete er mit Partnern, unter ihnen der berühmte Joseph Fraunhofer, Namensgeber der Fraunhofer-Gesellschaft, eine Glashütte und ein „optisches Institut“. Zunächst im Kloster Benediktbeuern untergebracht, zogen sie später in die Münchner Müllerstraße um. Mit ihren schlierenfreien Linsen setzten sie internationale Standards, belieferten weltweit Sternenwarten und waren damit Vorreiter für die hochmoderne optische Industrie Münchens. 1818 war Utzschneider der reichste Bürger der Stadt. Doch wie das Leben spielt: Dieser Höhenflug konnte nicht ewig anhalten.

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Auch das sogenannte "Großraumbüro" war um 1900 eine bahnbrechende Neuerung und löste das überholte "Privat-Kontor" ab. Doch noch wurde fast alles handschriftlich erledigt (Archiv der Industrie- und Handelskammer).

Als Utzschneider 1840 auf dem Giesinger Berg mit der Kutsche verunglückte und sich das Genick brach, lag sein wirtschaftlicher „Genickbruch“ schon weit zurück. Seine Unternehmen waren der Zeit zu weit vorausgeeilt, er hatte sich verspekuliert und war vor seinem Tod bereits ein verarmter Mann. Doch sein Leben war beispielhaft für eine Zeit, in der herausragende Persönlichkeiten Wirtschaftsgeschichte schrieben.

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Erstmalig haben der damalige Direktor des Münchner Stadtarchivs, Michael Schattenhofer, und der Historiker Willibald Karl eine spannende Geschichte der Münchner Wirtschaft vorgelegt.