Bayerische Geschichten 30/2021: 40 Jahre Turmschreiber-Jahrbuch

Liebe Leserin, lieber Leser,

nur die besten Vertreter ihrer Zunft werden in der Schriftstellervereinigung „Münchner Turmschreiber“ aufgenommen. Die Höhepunkte ihres Schaffens sind im jährlich erscheinenden „Bayerischen Hausbuch“ versammelt. Dieses Mal steht ein besonderes Jubiläum an, denn das Hausbuch gibt es seit nunmehr 40 Jahren! Auch der Jubiläumsband ist – wie es die Leser der kultigen Anthologie gewohnt sind – prall gefüllt mit neuen Geschichten, Gedanken und Gedichten rund um Bayern und die Welt. Dazu nehmen sich die Turmschreiberinnen und Turmschreiber mit Blick auf das kommende Jahr 2022 ein Gemeinschaftsprojekt zur Brust: „Von Gelehrten und Gscheidhaferln, von künstlicher Intelligenz und natürlicher Dummheit – 550 Jahre Münchner Ludwig-Maximilians-Universität“.

 

„Das Wissen vom eigenen Unwissen“: Lithografie des Künstlers und Turmschreibers Klaus Eberlein.

Verschlossene Türen machen neugierig, erst recht in den altehrwürdigen Mauern der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Wird dazu noch von einem „untoten“ Gelehrten gemunkelt, dann ist der Stoff für eine neue Geschichte aus der Feder von Jörg Maurer – bekannt für seine Krimis mit Kommissar Jennerwein – perfekt: Wir schreiben das Jahr 1826, in München soll die frisch von Ingolstadt in die bayerische Haupt- und Residenzstadt verlegte Uni eröffnet werden. Eingeladen ist der berühmte Philosoph Georg Friedrich Hegel, der in einem Gastvortrag über das Wesen der Zeit zu dozieren gedenkt. Doch mitten im Vortrag erstarrt der Mann: eingefroren in Raum und Zeit. Wie er jüngst nicht nur wiederentdeckt, sondern auch frisch belebt wurde, liest sich ebenso amüsant wie geistreich. Nur eine Frage bleibt am Schluss unbeantwortet: „Wohin mit Hegel?“

(Sigl_LiRev2015_Foto Herbert Pöhnl): Albert Sigl, neuestes Mitglied der Münchner Turmschreiber, in Aktion (Foto: Herbert Pöhnl)

Den Neuzugang in den Reihen der Turmschreiberinnen und Turmschreiber präsentieren diese selbst wie folgt: „ein besonderer Gschdudierter … Wegbereiter der jüngeren bayerischen Literatur und der Mundart-Kultur“. Kein Wunder, dass die Vorfreude auf den Hoferichter-Preisträger Albert Sigl groß war! Dem aktuellen „Hausbuch“ hat er u.a. das Gedicht „Heimat“ beigesteuert:

Heimat

Wenn Heimatboden

Nicht genutzt wird

Heute

Wenn aus Heimatboden

Nicht Geld gemacht wird

 

Ja was soll denn dann

Heimat

Für was soll das sein?

Für was brauchen wir die?

Ein grüner Kunstrasen

Mit Watteschnee

 

Da stehen die Volkssänger drauf

Das langt doch

 

Der Luftdruck

Ist kostenlos

Der Kreativität der Münchner Turmschreiber sind weder in ihren Texten noch in ihren Illustrationen Grenzen gesetzt (Werk von Klaus Eberlein).

Das „Bayerische Hausbuch“ der Turmschreiber ist ein buntes Lesebuch, in dem fast alles zu finden ist, was Sprache und Kreativität gemeinsam hervorbringen können. Die beste Lesestrategie ist es daher, nach Herzenslust zu blättern und sich von jedem Kapitel neu überraschen zu lassen. Mit einer Ausnahme: Jetzt, in der Vorweihnachtszeit, lohnt es sich, zielgenau das Kapitel der Turmschreiberin Katharina Lang anzusteuern. „Beruf: Christkindl“ heißt ihr Rezept gegen den Winter-Blues samt Girokonto im Fastenmodus. Im Münchner Rathaus sitzen, die Weihnachtspost der kleinen Besucher annehmen, Wunschzettel beantworten … Der Wandel dieses vermeintlich himmlischen Jobs zur Plage ist eine herrliche Lektüre – inklusive eines Höhepunkts von purem Weihnachtsglück.

 

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