Bayerische Geschichte(n), 3/2019: 56 Jahre Warten auf Gerechtigkeit

Inschrift „Arbeit macht frei“ über dem Eingang zum „Hof I“ des Gestapo-Gefängnisses Kleine Festung in Theresienstadt (Foto: Andrew Shiva/Wikipedia/CC BY-SA 4.0)

Liebe Leserin, lieber Leser,

während andere Nazi-Verbrecher sofort nach Kriegsende von den Siegermächten zur Rechenschaft gezogen wurden, kam Anton Malloth jahrzehntelang unbehelligt davon. Versäumnisse der deutschen, tschechischen und italienischen Behörden sowie mehrfache Wechsel von Wohnort und Staatszugehörigkeit führten dazu, dass der ehemalige SS-Wachmann des Gestapo-Gefängnisses „Kleine Festung“ in Theresienstadt erst 2001, im Alter von 90 Jahren, vor Gericht gestellt wurde. Vom jungen und brutalen Mann, der als der „schöne Toni“ bekannt gewesen war, war über 50 Jahre nach Kriegsende nicht mehr viel übrig. Malloth saß im Rollstuhl, war schwerhörig und sein gesundheitlicher Zustand war dem hohen Alter geschuldet entsprechend geschwächt.

Jüdischer Friedhof vor der Kleinen Festung (Foto: Tobi B./Wikipedia)

Presse und Öffentlichkeit waren von der gebrechlichen Erscheinung Malloths eingenommen, auch Dr. Jürgen Hanreich, Richter und Vorsitzender des Schwurgerichts München, war vom ersten Anblick des Angeklagten zunächst geschockt. Der Prozess fand trotzdem statt. Es war das letzte Verfahren zu nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, in dem ein Täter mithilfe von Tatzeugen überführt werden konnte. Das war in hohem Maße auch Jürgen Hanreich zu verdanken, der sich mit Nachdruck persönlich dafür einsetzte, dass die beiden Zeugen Albert Mayer und Jiri Kos, trotz ihrer kritischen Haltung dem anstehenden Verfahren gegenüber, den Weg nach München auf sich nahmen. Von einem war Hanreich nämlich stets überzeugt: Die Verantwortung des deutschen Rechtsstaates greift auch Jahrzehnte nach vollendeter Tat.

Als im Untersuchungsgefängnis München-Stadelheim der aufsehenerregende Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Anton Malloth begann, war der Krieg bereits seit mehr als 50 Jahren vorbei. Im Gestapogefängnis des Konzentrationslagers Theresienstadt soll der gebürtige Südtiroler zahlreiche Häftlinge zu Tode geprügelt haben. Für den Richter Jürgen Hanreich wird es sein persönlichster Prozess – der einzige, dessen Unterlagen er bis heute sorgsam aufbewahrt. Mit diesem Buch legt er Rechenschaft ab über seinen Umgang mit der deutschen Vergangenheit und geht dem Versagen der Nachkriegsjustiz auf den Grund. Sein Bericht ist ein eindrucksvoller Blick hinter den Richtertisch, eine späte, ernsthafte Suche nach Erkenntnis und Wahrheit.