Bayerische Geschichten 29/2020: Streit um den Salvator

Liebe Leserin, lieber Leser,

fast drei Millionen Fernsehzuschauer verfolgen alljährlich die Live-Übertragung der Salvatorprobe auf dem Nockherberg. Dem bayerischen Ministerpräsidenten ist es vorbehalten, den ersten Schluck von Bayerns berühmtestem Starkbier, dem Salvator, zu nehmen. Der Ursprung dieser von der Paulanerbrauerei organisierten Veranstaltung liegt in klösterlicher Braukunst, denn der Salvator wurde zuerst von Mönchen in der Vorstadt Au kreiert. Nach der Säkularisation übernahm der Brauer Zacherl und führte den Sudbetrieb weiter. Neben dem Oktoberfest entwickelte sich der Starkbierausschank im Salvatorkeller zum beliebtesten Volksfest der Landeshauptstadt. Richard Winkler erzählt die Geschichte des weltberühmten Starkbieres, des damit verbundenen Salvatorfestes und der Salvatorprobe von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Auf dem Salvatorkeller in München, 1877
Auf dem Salvatorkeller in München, 1877

Großen Erfolg feierte die Zacherlbrauerei ab dem Jahr 1870 nicht nur im Süden, sondern auch in Norddeutschland. Das rief natürlich die nationale Konkurrenz auf den Plan, die ihr Bier nun ebenfalls unter der „bestens eingeführten Bezeichnung ‚Salvator‘ zum Verkauf“ brachten. Dahinter stand in erster Linie die Absicht, dem etablierten Unternehmen aus München Marktanteile abzunehmen. Bis 1848 hatte die Zacherlbrauerei ein „rechtlich geschütztes Monopol“ zum Verkauf von Starkbier über dem staatlich fixierten Preis besessen. Auch nach Aufhebung dieses Monopols behielt die Zacherlbrauerei den Namen „Salvator“ exklusiv. Die Bezeichnung „Salvator“ war das Markenzeichen für das Starkbier aus der Ohlmüllerstraße.

 

Auf dem Salvatorkeller in München, 1877
Auf dem Salvatorkeller in München, 1877

 

Die ersten Fälle einer Mitbenutzung des Namens „Salvator“ traten außerhalb der bayerischen Landeshauptstadt auf. Allerdings wirkte sich das zunächst nicht nachteilig für die Zacherlbrauerei aus, denn die Produktion von Salvatorbier war sehr gering und nicht von langer Dauer. Nationale und internationale Nachahmer stellten somit keine ernsthafte Konkurrenz dar und daher verwundert es nicht, dass die Zacherlbrauerei keinerlei Anstrengungen unternahm, um die Wortbezeichnung „Salvator“ zu schützen. Selbst als am 30. November 1874 im Berliner Reichstag das „Gesetz über Markenschutz“ verabschiedet wurde und dieses mit Wirkung vom 1. Mai 1875 im Deutschen Reich in Kraft trat, ließen die Verantwortlichen die einmalige Chance verstreichen, das ausschließliche Recht an der Marke „Salvator“ zu erwerben.

 

 

 

 

Dass diese Möglichkeit nicht genutzt wurde, rächte sich schon bald. Über zehn Jahre lang musste man mit erheblichem Aufwand an Zeit und Geld in der Öffentlichkeit gegen die Salvatorkonkurrenten kämpfen und ihnen immer wieder die Verwendung des Namens absprechen. Vor diesem Hintergrund ist es kaum zu verstehen, dass auch bei Inkrafttreten eines zweiten Markenschutzgesetzes 1894 die Verantwortlichen in der

Gaststätte Salvatorkeller
Gaststätte Salvatorkeller (Bildpostkarte um 1905, Entwurf: P. Kraemer)

Ohlmüllerstraße nicht vorbereitet waren und erst im Januar 1895 die Eintragung des Wortzeichens „Salvator“ beantragten. In der Zwischenzeit hatte die Konkurrenz schon Tatsachen geschaffen, wie die Münchner Spatenbrauerei, die gleich am 1. Oktober 1994 in Berlin um die „Eintragung eines Etiketts zur Bezeichnung ihres Salvatorbieres“ ersucht hatte. Zum Glück für die nun als „Schmederer-Brauerei“ firmierende Zacherlbrauerei konnte man die Berliner Behörde jedoch von der Rechtmäßigkeit der eigenen Ansprüche überzeugen. Der Streit um den Namen „Salvator“ sollte die Gerichte aber noch einige Jahre beschäftigen – die Schmederer-Brauerei ging aber schlussendlich als Siegerin hervor.