Bayerische Geschichten 26/2021: Deutschlands älteste Ferienroute

Liebe Leserin, lieber Leser,

vom Auto aus die Schönheit der bayerischen Alpen erleben – diese Idee einer durch idyllische Landschaft führenden Panoramastraße verfolgten Fremdenverkehrsexperten schon seit den 1920er Jahren. Eine grandiose Vision, aus der schließlich die Deutsche Alpenstraße hervorging, Deutschlands erste Ferienstraße, die zwischen dem Bodensee und dem Königssee mit zahlreichen Burgen und Schlössern, Bergseen und Kurorten beeindruckt. Ein Autorenteam beleuchtet nun die verschiedenen Facetten dieser aussichtsreichen Ferienroute, von ihrer Entstehung bis hin zu ihrer Nutzung und Vermarktung. Damit wird nicht nur die Faszination Deutsche Alpenstraße erlebbar gemacht, sondern auch ihre Rolle in der Geschichte des deutschen Straßenbaus gewürdigt.

Postkarte „Sylvensteinsee mit Deutscher Alpenstraße gegen Scharfreiter“, ungelaufen. Die markante Faller-Klamm-Brücke wurde 1957 fertiggestellt (Foto: Sammlung Bachter, Copyright Huber Images).

Das Automobil spielte – neben dem Fahrrad – eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Tourismus seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Ohne geeignete Infrastruktur gerieten die ersten Ausflüge mit dem Auto, vor allem auf den engen, kurvigen und steilen Bergstraßen, jedoch zu abenteuerlichen Entdeckungsfahrten. Schon bald erkannten Lokalpolitiker und Tourismusfachleute die Bedeutung von guten Straßen für die Hebung des Fremdenverkehrs. Die in der Folge neu angelegten Routen sollten keineswegs zum Schnellfahren einladen, sondern dem beschaulichen „Erfahren“ der Landschaft dienen. Viele dieser Panorama- und Aussichtstraßen wurden selbst zu touristischen Attraktionen, um derentwillen die Gäste von weit her kamen. So auch die Deutsche Alpenstraße, die als Queralpenstraße die Alpentäler zwischen Boden- und Königssee in Ost-West-Richtung miteinander verbindet.

Wilhelm Werner, Zweitplatzierter der ersten Bergfahrt am Kesselberg 1905 mit einem Mercedes (Foto: Mercedes-Benz Classic)

Deutschland gilt zwar als Mutterland des modernen Automobils, die Begeisterung der Bevölkerung für das neuartige Fortbewegungsmittel hielt sich zunächst aber noch in Grenzen. Vor allem dem Motorsport ist es zu verdanken, dass das Automobil immer populärer wurde. Die erste Tourenwagen-Rallye, die sogenannte Herkomer-Konkurrenz, war noch kein Rennen im klassischen Sinne, die Teilnehmer sollten vielmehr die Leistungsfähigkeit, Alltags- und Reisetauglichkeit ihrer Automobile unter Beweis stellen. Eine der Sonderprüfungen der Konkurrenz führte von Kochel am See über die traditionsreiche Kesselbergstraße hinaus zum Walchensee und stellt damit das erste Bergrennen Deutschlands dar. In der Folge lockten die Kesselberg-Rennen Tausende Schaulustige in die Gegend und hatten damit einen willkommenen Werbeeffekt für die gesamte Urlaubsregion.

Deutsche Alpenstraße bei Oberstaufen, Aufnahme von 1956 (Foto: Lala Aufsperg, Archiv Heimatbund Allgäu e.V.)

In den 1950er Jahren hatte Deutschland zunächst noch mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges zu kämpfen. Erst mit dem steigenden Wohlstand der Wirtschaftswunderjahre wuchsen die Möglichkeiten, die aufkeimende „Feriensehnsucht“ zu befriedigen. Dabei diente das Auto als willkommenes Mittel, um immer größere Distanzen zu überwinden. Vor allem die „Italienreise“ und die damit verbundene Überquerung der Alpen wurde zu einem Symbol für den Urlaub der Wirtschaftswunderzeit. Ein Phänomen jener Jahre ist auch das sogenannte „Autowandern“, bei dem die Wanderer den Ausgangspunkt ihrer Tour mit dem Auto erreichten. In diesem Kontext muss der Name des Kartografen und Verlegers Kurt Mair fallen, der in den Jahren 1928 und 1929 die gesamten alpinen Pass- und Hochstraßen zwischen Wien und Nizza erkundete und seine Ergebnisse ab 1930 unter dem Titel „Die Hochstraßen der Alpen“ veröffentlichte – mit rund zwanzig Seiten zur Deutschen Alpenstraße.