Bayerische Geschichte(n), 20/2018: Kleider machen Leute – die Trachtenvielfalt Oberfrankens

Elisabeth Roth vom Heimat- und Trachtenverein Neunkirchen am Brand in einer Arbeitstracht aus dem Forchheimer Land. Die als „Blaue Woa“ (blaue Ware) bezeichnete Arbeitskleidung konnte auch farbenfroh sein. Die Schürzen, Blusen und oft auch die Röcke und Kittel bestanden aus waschbaren bedruckten Baumwollstoffen (Foto: Walther Appelt).

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im frühen 19. Jahrhundert hatte Kleidung auf dem Land noch einen ganz besonderen Stellenwert, war diese zur damaligen Zeit doch viel teurer als heute. So mussten die Kinder einfacher Leute die abgeänderten und geflickten Anziehsachen ihrer Eltern und Geschwister auftragen und erhielten meist erst zur Erstkommunion oder zur Konfirmation bessere Kleidungsstücke, da sie nun offiziell zur Kirchengemeinde gehörten. Später, vor der Hochzeit, wurden die Brautleute dann mit einem Bestand an Kleidung ausgestattet, der für das weitere Leben reichen sollte. Von der Feldarbeit über den Besuch bei der Nachbarin bis hin zu den höchsten kirchlichen Festtagen – für jeden Anlass hing die passende Garderobe im Schrank.

Alina Mergler mit der Brautkrone der Familie Dörfler aus Forchheim. Die prächtigen Brautkronen werden bis heute im Forchheimer Land bei hohen kirchlichen Festen und Prozessionen getragen (Foto: Walther Appelt).

 

„Selbst gesponnen, selbst gemacht, rein dabei – ist Bauerntracht“. Eng verwoben mit diesem Spruch ist die Vorstellung, dass die Kleidung der Bauern früher ausschließlich aus dem Garn der selbst angebauten Flachspflanze und aus der Wolle der eigenen Schafe gefertigt wurde. Das traf zwar auf einen Teil der bäuerlichen Textilien, vor allem auf die derbe Arbeitskleidung zu, jedoch nicht auf die Festtagskleidung, auf die bunt bedruckten Baumwolltücher und seidenen Bänder. Derartiges kam normalerweise aus Manufakturen und Fabriken aus ganz Europa und gelangte über Wanderhändler, die oftmals jüdischer Abstammung waren und deshalb „Kramjuden“ genannt wurden, auch in die entlegensten Gebiete. Im Idealfall kannten diese Händler ihre Kundschaft gut und passten ihr Angebot an deren Vorlieben und finanzielle Möglichkeiten an.

Während die Mode in den Städten je nach Saison wechselte, erfolgten Veränderungen auf dem Land viel langsamer, in einem ganz eigenen Rhythmus, der sich von Dorf zu Dorf unterscheiden konnte. Fremde Einflüsse gab es durchaus: Viele kleine Details der großen Mode kamen mit Verspätung von den Städten in die Dörfer und lassen sich in der nach und nach entstandenen Festtagskleidung der jeweiligen Bewohner wie die Sedimentschichten in einem Gestein ablesen. Neue Trends brachte beispielweise die Braut des wohlhabenden Gastwirts oder der Schneider mit, der auf seiner Wanderschaft aktuelle Schnitte kennengelernt hatte. Wichtig war dabei nur, dass die Neuerungen günstig und praktisch waren.

Oberfranken besitzt eine traditionsreiche und bunte Trachtenlandschaft, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt und erneuert hat. Birgit Jauernig, Trachtenberaterin des Bezirks Oberfranken, erläutert in „Oberfrankens Trachten“ anhand von zahlreichen Beispielen, wie sich die politische, konfessionelle und wirtschaftliche Geschichte in den historischen Kleidungsstücken widerspiegelt. Neben den Details und Besonderheiten der Trachten stehen die einzelnen Regionen im Vordergrund – das Bamberger Land, die Fränkische Schweiz, Effeltrich und Hausen, der Hummelgau, Sachsen-Coburg oder das Hofer Land. Der Trachtenreichtum Oberfrankens wird dabei durch die großformatigen Fotografien von Walther Appelt brillant in Szene gesetzt.