Bayerische Geschichte(n), 14/2013: Die Malerin und der Ingenieur
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Er sagte, dass gerade sechs Jahre der richtige Unterschied seien (ich bin 17, er 23), ich antwortete, dass das Alter gar nichts zur Sache täte“, notierte Marie Seitz in ihrem Tagebuch. Da hatte sie bereits erste zarte Bande zu ihrem späteren Ehemann Oskar von Miller geknüpft, den sie – laut Familienüberlieferung – im Sommer 1876 bei einem Familienspaziergang im Nymphenburger Park zum ersten Mal gesehen hatte und der ihr im darauffolgenden Winter beim Eislaufen auf dem Kleinhesseloher See von ihrem Bruder Karl vorgestellt worden war. Marie Seitz war die jüngste Tochter des angesehenen Münchner Professors für Arzneimittellehre Dr. Franz Seraph Seitz.
In ihrem großbürgerlichen Elternhaus in der Brienner Straße verkehrten nicht nur die Medizinerkollegen des Vaters, sondern auch der Kunsthistoriker Wilhelm Lübke, der Dichter Paul Heyse und Schriftsteller Ferdinand Gregorovius sowie die Maler Moritz von Schwind und Hans Makart. Einer von ihnen wird wohl die Eltern Seitz auf das künstlerische Talent ihrer Tochter aufmerksam gemacht haben. Ab 1876 besuchte sie deshalb eine private Malschule. Oskar von Miller zeigte wenig Interesse für die künstlerischen Ambitionen seiner jungen Braut. Er ließ sich jedoch versichern, dass sie seinen Ingenieursberuf – „eine gefährliche Branche“ – akzeptieren könnte. Auch würde er viel reisen müssen, nicht nur innerhalb von Europa, gab er zu bedenken.
Um ein Haar gescheitert wäre die Hochzeit zwischen dem aufstrebenden Bauingenieur und der jungen Malerin aber dann ausgerechnet an der unterschiedlichen Konfession der Brautleute. Er habe nie geglaubt, dass seine Familie einmal in solche Sorge kommen würde, schrieb Ferdinand von Miller, als er von der heimlichen Verlobung seines Sohns mit einer Protestantin erfuhr. Nur unter größten Bedenken gab er schließlich seine Zustimmung. Sieben lange Jahre musste Marie Seitz warten, bis sie endlich am 22. Februar 1884, ihrem 23. Geburtstag, die Ehefrau von Oskar von Miller wurde – und fortan ihre eigene Karriere als Malerin hinter ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter stellte.
Ihre Urenkelin Monika Czernin macht mit der reich bebilderten Biografie auch den künstlerischen Nachlass Marie von Millers, der zu den großen Schätzen der Familie zählt, der Öffentlichkeit zugänglich.
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ISBN: 978-3-86222-119-6 €16,90