Bayerische Geschichten 11/2023: Als ein Mord ganz München erschütterte

Liebe Leserin, lieber Leser,

Mitte des 19. Jahrhunderts hielt der brutale Mord an dem Geistlichen Johann Baptist Schwarz die königliche Haupt- und Residenzstadt München in Atem. Das Tötungsdelikt ging auf das Konto eines Täter-Duos, bestehend aus Joseph Stopfer und Ludwig Dantinger. Während König Max II. Joseph das Todesurteil für Dantinger auf dem Gnadenweg zur Kettenstrafe umwandelte, wurde Stopfer am Pfingstsamstag, den 18. Mai 1850, öffentlich vor rund 15.000 Zuschauern auf dem Marsfeld enthauptet. Anhand von zahlreichen zeitgenössischen Quellen beleuchtet Helmut A. Seidl in „Mord nach der Messe“ den wohl spektakulärsten Kriminalfall der Münchner Biedermeierzeit.

Der ermordete Johann Baptist Schwarz auf dem Totenbett, Abbildung einer anonymen Zeichnung von 1850 (Bild: Bayerische Staatsbibliothek, 4 Eph.pol. 38-1850, 1/6)

Am Sonntag, den 11. März 1849, las Johann Baptist Schwarz in St. Kajetan, der Theatinerkirche, die Heilige Messe. Nachdem er noch eine Weile dem Chor „beigewohnt“ hatte, trat der Geistliche, der weithin für seine Wohltätigkeit bekannt war, den Heimweg an. Gegen 8.15 Uhr erreichte Schwarz schließlich seine Wohnung in der Sonnenstraße 10, die er gemeinsam mit seiner Schwester Josepha bewohnte. Dort nahm er zunächst sein Frühstück zu sich, goss, wie es seine Gewohnheit war, die Blumen und begab sich dann in sein Arbeitszimmer, um einige Schularbeiten zu korrigieren. In der Zwischenzeit drangen – von ihm unbemerkt – Joseph Stopfer und Ludwig Dantinger über das kleine Fenster im Erdgeschoss ins Haus und über die Stiege in die Pfarrwohnung ein.

Anonymes Flugblatt mit einer Darstellung des Mordes an Professor Schwarz aus dem Jahr 1849 (Bild: Stadtarchiv München, DE-1992-HV-BS-B-04-73)

Als Josepha Schwarz gegen 9 Uhr nach Hause zurückkehrte, bemerkte sie, dass die Haustür zwar noch verschlossen, das Fenster daneben aber eingedrückt und eine der Eisenstangen, an der etwas Blut klebte, verformt war. Sogleich vermutete sie, dass hier Einbrecher am Werk gewesen waren, und holte schnell einen Tischlergesellen herbei, der ganz in der Nähe bei ihrem Schwager Max Reindl arbeitete. Gemeinsam betraten sie die Wohnung und stießen dort im Arbeitszimmer auf die „bereits erstarrte Leiche“ ihres Bruders, „mit abgeschnittenem Halse in einem Blutstrome auf dem Boden“ liegend. Alle Räume waren durchwühlt worden und Josepha Schwarz bemerkte sofort, dass etliche Wertgegenstände, aber auch ein weißes Beichttuch und ein Mantel des Kanonikus aus dunkelblauem Tuch fehlten.

Ludwig Dantinger vor Gericht auf einem anonymen Flugblatt vom Mai 1850 (Bild: Stadtarchiv München, DE-1992-HVBS-A-05-78)

Die Kunde vom Mord an dem beliebten Geistlichen sprach sich im Verlauf des Tages schnell herum, sodass noch zu später Stunde Massen von Menschen vor dem Haus standen und lebhaft diskutierten. Auch die Zeitungen heizten in den folgenden Tagen die Stimmung in der Stadt mit immer neuen Spekulationen an – so wies der konservative „Volksbote“ etwa die Schuld der „roten Saat“, den links-liberal/demokratischen Kräften, zu. Erst als am 24. April die beiden arbeitslosen Handwerksgesellen Stopfer und Dantinger verhaftet wurden, fanden die wild ins Kraut schießenden Gerüchte ein Ende. Das Interesse an dem grausigen Mordfall flaute hingegen nicht ab. Das Gerichtsverfahren war das Stadtgespräch in München und der Name „Stopfer“ sollte noch auf Jahre als Synonym für einen ruchlosen Mordgesellen dienen.