Bayerische Geschichte(n) 09/12: Turnen für den Führer

Die freigelegten Betonsockel der Versuchstribünen im Hirschbachtal

Liebe Leserin, lieber Leser,

als sich ein Nürnberger Geschichtsstudent in den achtziger Jahren im Hirschbachtal auf die Suche nach den Versuchstribünen für das „Deutsche Stadion“ machte, da wollte sich in den umliegenden Dörfern niemand mehr so recht an das merkwürdige Bauwerk aus der NS-Zeit erinnern – obwohl die Leute hier den „Hohen Berg“ bei Oberklausen immer noch den „Stadionberg“ nennen. Damals waren die Betonsockel und Stützmauern, die sich den ganzen Hang hinaufziehen, völlig überwuchert und kaum mehr ausfindig zu machen. Inzwischen sind sie wieder freigelegt, seit 2002 stehen sie unter Denkmalschutz.

Auch dem historischen Friedhof St. Peter in Straubing mit den denkmalgeschützten Grabmälern ist ein Buchkapitel gewidmet.

In Nürnberg erinnert an das „Deutsche Stadion“ nur noch der Silbersee, die mit Grundwasser gefüllte Baugrube. Die Grundsteinlegung für das „größte Stadion der Welt“, das mehr als 400.000 Besuchern Platz bieten sollte, fand am 9. September 1937 in Nürnberg statt. Als die Bauarbeiten 1939 eingestellt wurden, hatte man lediglich mit dem Aushub für die riesige hufeisenförmige Arena begonnen. Gebaut hatte man aber trotzdem: Fünf Ränge mit Sitzplätzen für mehr als 40.000 Zuschauer, immerhin ein Zehntel des geplanten Tribünenhalbrunds. Allerdings nicht in Nürnberg, sondern im etwa vierzig Kilometer entfernten Hirschbachtal bei Oberklausen.

Zu den 50 Objekten, die in "Der Geschichte auf der Spur - 2. Etappe" vorgestellt werden, gehören auch mittelalterliche Burganlagen: hier die Höhlenburg in Stein an der Traun.

Dort waren unter strengster Geheimhaltung die sogenannten Versuchstribünen für das „Deutsche Stadion“ im Maßstab 1:1 errichtet worden.400 Arbeiter waren 18 Monate lang Tag und Nacht damit beschäftigt gewesen, in dieser entlegenen Gegend zwei Teilstücke des Stadions mit verschiedenen Neigungswinkeln zu bauen. Rund um die Uhr wurde die Baustelle von SS-Posten bewacht. Im März 1938 war es dann so weit: Hitler und sein Architekt Speer kamen mit großem Gefolge nach Oberklausen, um die Baustelle zu inspizieren. Der „Führer“ und seine Begleiter nahmen auf den oberen Rängen Platz. Unten mussten die Reichsarbeitsdienstabteilungen Hersbruck und Schnaittach gymnastische Übungen vorführen. Die Probetribünen waren errichtet worden, um die Sichtverhältnisse und die Akustik in dem späteren Stadion zu testen. Wie viel man aus einer Entfernung von rund achtzig Metern von dem sportlichen Geschehen auf dem Spielfeld tatsächlich gesehen hätte, bleibt bis heute fraglich. Speer jedoch notierte über die Inspektion, er habe das „positiver als angenommen“ empfunden.

Das Donaukraftwerk Jochenstein ist eines der zahlreichen bayerischen Industriedenkmäler.

Die Versuchstribünen im Hirschbachtal gehören zu den rund 170.000 Objekten auf der bayerischen Denkmalliste. Generalkonservator Egon Johannes Greipl stellt auf der zweiten Etappe einer spannenden Spurensuche fünfzig weitere ungewöhnliche Denkmäler vor – darunter auch Burgen und Schlösser, die Wallfahrtsstiege von Mariahilf ob Passau wie das „Grabmal für den Hund Folichon“ in Bayreuth, das Wasserkraftwerk Jochenstein an der Grenze zu Österreich ebenso wie die Fallkörpersperren auf der Schiefen Ebene.