Bayerische Geschichten 05/2022: Der Fall Ludwig II.
Liebe Leserin, lieber Leser,
seit fast 140 Jahren gibt der Tod des Märchenkönigs Ludwig II. Rätsel auf. Wie konnte es nur zu dieser „Königskatastrophe“ kommen? Wer hat seinen Tod zu verantworten? Der Ludwig-II.-Experte Alfons Schweiggert setzt in „Der Ludwig-II.-Prozess“ erstmals alle Verantwortlichen auf die Anklagebank. Denn einen offiziellen Prozess zur Klärung der Schuldfrage hat es nie gegeben. In einer umfassenden Untersuchung rekonstruiert der Autor jene Ereignisse und Motive, die letztendlich zur Entmündigung und dem Tod des Königs beigetragen haben. Das Urteil fällt erschreckend aus.
Als maßgeblich Schuldige an der Königskatastrophe und dem Tod des Märchenkönigs gilt die sogenannte „königlich-bayerische Viererbande“, zu der neben dem Gutachter Dr. Bernhard von Gudden, der Ministerratsvorsitzende Johann von Lutz, Maximilian Graf von Holnstein und Prinzregent Luitpold gezählt werden. Als Reichskanzler Bismarck den Psychiater Dr. von Gudden als „Königsbeseitiger“ betitelte, entstand jedoch der Eindruck, dass dieser alleine den Tod des Königs zu verantworten hatte. Doch trifft dies wirklich zu? Gräbt man tiefer, tauchen weitere Personen auf, deren mögliche Beteiligung an der Königskatastrophe näher unter die Lupe genommen werden muss.
So zählt auch Maximilian Graf von Holnstein zu den Verdächtigen. Trotz der Freundschaft seit Kindheit an schreibt man ihm eine zwielichtige Rolle zu. Nach seiner Ernennung zum Oberstallmeister und als enger Vertrauter des Königs erledigte er diverse Angelegenheiten stets diskret. Zunächst freundschaftlich verbunden, hatte von Holnstein mit seinem Wissen den König in der Hand. Von Holnstein wird als dominante, kaltblütige, brutale und korrupte Persönlichkeit beschrieben. Besonders unangenehme Charaktereigenschaften waren sein Ehrgeiz, sein Machtstreben und seine Geldgier. Als er bei dem König in Ungnade fiel, wandte sich von Holnstein gegen ihn und wurde zu einem der Haupt-Zuträger von belastendem Material an Dr. von Gudden.
Auch die Unschuld einer weiteren Person kann nicht bestätigt werden. Besonderes Interesse innerhalb Schweiggerts Untersuchungen gilt Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich. Wussten Sie, dass die Kaiserin zum Zeitpunkt des Todes Ludwigs II. auch am Starnberger See residierte? In dieser Nacht befiel sie eine „lähmende Angst,“ als hätte sie geahnt, dass ein Unglück bevorsteht. Was bereitete der Kaiserin diese innere Unruhe? Immer wieder werden die geheimnisvollen Wagenspuren, die man in der Todesnacht vor dem Tor des Schlossparks von Berg entdeckt hat, mit ihr in Verbindung gebracht. Hatte sie Kenntnis davon, dass Vorbereitungen zur Flucht des Königs getroffen worden waren. Elisabeths Bruder Karl Theodor fragte sich allen Ernstes: „Sollte etwa Schwester Sisi ihre Hand im Spiel gehabt haben?“