Bayerische Geschichten 21/2024: Die Verwandlung eines Dorfes

Liebe Leserinnen und Leser,

Neuhausen, nordwestlich von Münchens Altstadt gelegen, kann auf eine mehr als 850 Jahre alte Geschichte zurückblicken. Vom kleinen, unbedeutenden Bauerndorf entwickelte es sich zu einer Vorstadt mit überwiegend proletarischer Bevölkerung und wurde 1899 nach München eingemeindet. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg entstand schließlich ein moderner, lebenswerter Stadtteil. Zahlreiche, zum Teil bislang unveröffentlichte historische Bilder zeigen diesen Wandel und erzählen von einer unbekannten, heute nicht mehr vorhandenen Welt.

Das Verwaltungsgebäude der Lokomotivfabrik Krauss an der Ecke Arnulf-/Helmholtzstraße, Aufnahme 1924 (Fotos: Stadtarchiv München)

Der städtische Charakter Neuhausens entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert. Dabei war es vor allem die Ansiedlung von Industriebetrieben, die den Wandel vorantrieb. Eine besondere Rolle spielte hierbei die „Lokomotivfabrik Krauss & Comp.“ an der heutigen Arnulfstraße. 1866 wurde die Fabrik von Georg Krauss gegründet, der die sich bereits im Einsatz befindlichen Lokomotiven von Maffei und anderen Konkurrenten genau studiert hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass sich Lokomotiven viel leichter und viel effizienter bauen ließen als bisher. Das Konstruktionsprinzip von Krauss war so überzeugend, dass schon bei der Grundsteinlegung der Fabrik erste Aufträge vorlagen. Bis 1930 lief die Produktion auf dem Gelände im westlichen Arnulfpark. Nach der Übernahme von Maffei entstand die Firma „KraussMaffei“ und es folgte der Umzug nach Allach.

Die „Roten Häuser“, die ersten Sozialwohnungen Münchens. Hier, kurz vor dem Abbruch, an der Donnersberger Straße, Aufnahme 1910

Ein weiterer wichtiger Wirtschaftsbetrieb in Neuhausen war die „Centralwerkstätte“ der Königlich-Bayerischen Staatseisenbahnen. Für die Beschäftigten dieses groß angelegten Unternehmens mussten Wohnmöglichkeiten geschaffen werden. 1876 entstanden zunächst die „Roten Häuser“: 18 Häuser in Dreierreihen mit je zwei Stockwerken – der erste soziale Wohnungsbau Münchens. Der Baugrund an der heutigen Schluder-, Renata-, Hirschberg- und Sedlmayrstraße war nur rund 500 Meter von der „Centralwerkstätte“ entfernt, auf einem damals noch völlig unbebauten Gebiet südwestlich des Dorfes Neuhausen. Insgesamt wurden hier 108 Wohnungen errichtet, der jeweils ein kleiner Garten in der Größe von 80 bis 120 Quadratmeter zugeteilt war, in dem die Bewohner Obst und Gemüse anbauten. Im Volksmund waren auch die Namen „Rotes Elend“ oder „Rossfleischinsel“ verbreitet. 1971 wurden die „Röten Häuser“ schließlich abgebrochen.

Das Rotkreuzkrankenhaus, links der Fürsten- und Winthirflügel, Postkarte 1910

Für die schnell wachsende Bevölkerung musste auch die Gesundheitsversorgung sichergestellt werden.  Zu diesem Zweck erwarb der „Bayerische Frauenverein vom Roten Kreuz“ in den Jahren 1887 und 1888 Grundstücke in Neuhausen. Für die Schwesternschaft war durch diesen Erwerb die Grundlage für die Errichtung eines eigenen Krankenhauses und eines Schwesternheims gegeben. Am 24. Mai 1892 konnte der Krankenhausbau mit 80 Betten schließlich feierlich eröffnet werden. Entstanden war ein mächtiger, architektonisch bedeutsamer, mit allen Errungenschaften moderner Krankenpflege ausgestatteter Bau im Stil des „Münchner Barock“, der im Laufe der Jahre immer wieder vergrößert wurde. Die Anlaufzeit gestaltet sich zwar schwierig, da das Krankenhaus damals relativ weitab von der Stadt lag und Ärzte wie Patienten den langen Weg nach Neuhausen scheuten, das „Rotkreuzklinikum“ besteht aber bis heute. Bereits 1903 erhielt der südlich vor dem Krankenhaus liegende Platz auch den amtlichen Namen „Rotkreuzplatz“.