Fotos auf der Flucht

Mitgenommen: Erinnerungen FotografieDer alte Fotoapparat ist sichtlich ramponiert. Und auch die Fototasche und das kleine Album mit den vergilbten Bildern scheinen die besten Tage hinter sich zu haben. Was man als Außenstehender vielleicht in den Mülleimer entsorgen würde, hat für Wolfgang Hartmann eine ganz besondere Bedeutung.

Denn der Apparat sowie das Familienalbum befanden sich 1945 im Fluchtgepäck seiner Mutter, die ihre Heimatstadt Breslau im Osten Deutschlands mit ihm und seinem Bruder kriegsbedingt schnellstens verlassen musste. Nachdem die kleine Familie dem Bombenterror in Dresden entkommen konnte, ging es mit dem Viehwaggon bis nach Osterhofen in Niederbayern. Um den wertvollen Fotoapparat und das Album vor den Plünderungen der Amerikaner zu schützen, wurde beides für mehrere Wochen im Garten vergraben. Einige Jahre später gab es auch wieder Filme zu kaufen und der Fotoapparat konnte weitere Familienerinnerungen festhalten, die das kleine Album mit neuen Fotografien schmückten.

In „Mitgenommen – Heimat in Dingen“ berichten verschiedene Autoren von den persönlichen Schicksalen geflüchteter, vertriebener und deportierter Zeitzeugen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges das östliche Europa verlassen mussten. Alte Gegenstände und Erbstücke aus dieser Zeit erinnern bis heute an eine lange Reise, die von den Betroffenen damals nicht freiwillig angetreten wurde und sich für viele als die härteste ihres Lebens herausstellte. Gerade zur aktuellen Debatte um die Flüchtlingsproblematik bietet dieses Buch eine interessante Sichtweise – einmal durch die Augen eines Vertriebenen.