Bayerische Geschichten 30/2020: Ludwig I. und seine Sammlung „schöner Köpfe“
Liebe Leserin, lieber Leser,
eine der bekanntesten Schöpfungen König Ludwigs I. ist die Schönheitengalerie im Schloss Nymphenburg. Im Laufe von gut 30 Jahren entstanden 38 Porträts, die die Frauenschönheit an sich, als ästhetisches und sittliches Ideal verewigen sollten. Das Neue: Die Damen wurden nicht nach Rang und Abstammung ausgewählt, sondern allein aufgrund ihrer Schönheit. Die Gemälde zeigen Prinzessinnen, Handwerkertöchter, Schauspielerinnen und Hofdamen – und sogar eine Hochstaplerin. Die Historikerin Cornelia Oelwein stellt die oftmals kaum bekannten Lebensgeschichten der Porträtierten vor und fördert dabei manch unerwartete Entdeckung zutage.
Nicht alle Damen, die der Maler Joseph Stieler im Auftrag des bayerischen Königs für dessen „Sammlung schöner Köpfe“ porträtierte, wurden zu Berühmtheiten – wenn es auch die eine oder andere Schönheit zu einiger Bekanntheit brachte. Manche Lebensgeschichte ist aber so außergewöhnlich, dass selbst ein geübtes Tratschmaul mit einem Gespür für das Skandalöse sie sich nicht besser hätte ausdenken können. Ein solcher Fall ist das Leben der Lady Jane Ellenborough, geborene Digby, verheiratete Venningen, Theotoki, el Mesrab: Ihre erste Ehe scheiterte, die zweite endete in einem Pistolenduell, die dritte in einer Tragödie und erst die vierte brachte ihr endlich Glück. Lady Jane reiste quer durch die Welt, lebte mal in Palermo, München, Athen, bis es sie nach Syrien verschlug. Sie verliebte sich, entliebte sich, verliebte sich erneut, ihr wurde ein Kind weggenommen, das sie nie wiedersehen sollte, und am Ende rettete die Lady sogar noch Menschenleben.
Zu den bekanntesten Gemälden der Galerie zählt das von Charlotte von Hagn. Mit ihrem Talent zum Theaterspielen erregte sie bereits in jungen Jahren allgemeine Aufmerksamkeit – auch die des Königs. Kaum 17 Jahre alt wurde sie fest am Hoftheater in München engagiert und ab da ging es steil bergauf. Sie wurde zur exaltierten Diva, wurde vergöttert oder gehasst. Schmähschriften machten die Runde, die mit wohlgesinnten Gedichten in Tageszeitungen erwidert wurden. Die Hagn polarisierte. Auch intrigierte die als Giftspritze verschriene Schauspielerin, um höhere Gagen zu bekommen oder Kolleginnen loszuwerden. Sie machte die Bretter, die die Welt bedeuten, zu ihrer persönlichen Bühne. Aber auch ihr Stern ging irgendwann unter.
Nicht nur hinter den Porträts der Damen Ellenborough und Hagn verbergen sich faszinierende Geschichten: Jede Schönheit spiegelt auf ihre Weise eine Facette des damaligen Frauenlebens wider – von der Bürgerstochter bis hinauf in die höchsten adeligen Kreise. So ließ der bayerische König zum Beispiel seine Schwester Erzherzogin Sophie wie auch seine Tochter Prinzessin Alexandra auf Leinwand verewigen. Während Sophie – zu Unrecht – als Sisis garstige Schwiegermutter in die Geschichte eingegangen ist, blieb Alexandra vor allem wegen ihres exzentrischen Verhaltens in Erinnerung. Eine Anekdote erzählt, dass sie als Kind fest davon überzeugt gewesen sei, ein gläsernes Klavier verschluckt zu haben. Aus Angst, wegen des vielen Glases in ihrem Körper zu zerbrechen, sei sie in den Korridoren der Residenz besonders vorsichtig auf und ab gegangen.
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ISBN: 978-3-86222-354-1 €22,00