Münchner Geschichte(n), 02/2013: Revolution an der Kunstakademie

Die Kunststudenten machten das ehrwürdige Akademiegebäude selbst zum Kunstobjekt.

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 13. Dezember 1968 protestierten in München mehr als 3.000 Studenten gegen die Hochschulpolitik des bayerischen Kultusministers Ludwig Huber. Zwei Wochen später hängten die Kunststudenten im Treppenhaus der Akademie eine „Antiheldengedenktafel“ mit einem Text von Bert Brecht auf. Dazu ließen sie Trompeten und Pressluftbohrer erklingen. Die Akademiestudenten kritisierten, dass sie durch private Arbeiten der Professoren an der Benutzung der Werkstätten behindert wurden. Sie protestierten konkret gegen den „Prüfungsterror“ – und nicht zuletzt gegen die braune Vergangenheit mancher altgedienter Professoren.

Seifenblasen bei der Rektoratsfeier in der großen Aula der Ludwigs-Maximilians-Universität waren 1967 ein Affront (Abbildung aus dem Buch Auf den Barrikaden. Proteste in München seit 1945, hrsg. von Zara S. Pfeiffer, Volk Verlag).

Jüngere Professoren wie der Kunsterzieher Thomas Zacharias zeigten sich solidarisch mit den Studierenden. In seiner Klasse waren bald über 200, und damit ein Viertel aller immatrikulierten Akademiestudenten versammelt. Einige der älteren Kollegen bezeichneten ihn nun als „Nestbeschmutzer“. Die Studentenvertretung, kurz „AStA“, zeigte eine Dokumentation zum „Fall Hermann Kaspar“: Der Akademieprofessor hatte in exponierter Stellung für das Nazi-Regime gearbeitet.

Die 123 Studenten, die nach der Schließung die Kunstakademie besetzten, wurden festgenommen.

Am 4. Februar 1969 veranstaltete der AStA eine parodistische Immatrikulationsfeier, einen Tag später fuhren die Studenten am „Tag des Zweirads“ mit Mopeds und Fahrrädern durch die Gänge, um „das Establishment einzuschüchtern und die Akademie zu entweihen“. Am 21. Februar titelte die Bildzeitung: „Münchens Akademie in Schweinestall verwandelt“. Einen Tag später ließ Kultusminister Huber die Akademie schließen und Paolo Nestler trat wegen „dirigistischer Ordnungseingriffe des Kultusministeriums“ als Akademiedirektor zurück.

Der Autor Karl Stankiewitz bei einer Ausstellung im Haus der Kunst.

Der Journalist Karl Stankiewitz, Jahrgang 1928, war live dabei, als die Studenten in München auf die Barrikaden gingen. Über sechs Jahrzehnte lang beobachtete und kommentierte er das Kulturgeschehen in der Landeshauptstadt, zunächst als Redakteur der „Abendzeitung“ und später der „Süddeutschen Zeitung“. Viele Jahre lang schrieb er für den „Spiegel“, den „Stern“ und den Bayerischen Rundfunk sowie als München-Korrespondent für bis zu 15 außerbayerische Zeitungen. In „Die befreite Muse“ zeigt er, wie es München nach 1945 gelang, wieder zu einer vitalen Kunststadt auf Weltniveau zu werden.