Münchner Geschichte(n),10/2013: Haute-Volée und Bohème in der Maxvorstadt

Die Innenausstattung hätte jedem Schloss Ehre gemacht: einer der berühmtesten Prunksäle des alten Café Luitpold um 1895.
Die Innenausstattung hätte jedem Schloss Ehre gemacht: einer der berühmtesten Prunksäle des alten Café Luitpold um 1895.

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Jahr 1888 öffnete das Café Luitpold an der Ecke Brienner Straße und Maximiliansplatz seine Pforten und entwickelte sich quasi über Nacht zu einer Institution der großbürgerlichen Maxvorstadt. Man nahm den Kaffee von nun an unter prachtvollen Deckengemälden und Wandfriesen ein und genoss, umgeben von Marmor und Bronze, jeden Luxus, den das „vornehmste Etablissement Deutschlands“ im gleichnamigen Luitpoldblock zu bieten hatte. Über zwei Etagen verteilten sich die Mitglieder der höheren Gesellschaft auf mehr als zwanzig Gesellschaftsräume und Säle und füllten den Ort des unbedingten Sehen-und-gesehen-werdens mit bis zu 2000 Personen.

Eine Abendgesellschaft im „Simplicissimus“ aus dem Jahr 1909. In der Mitte mit erhobenem Glas die legendäre Wirtin Kathi Kobus.
Eine Abendgesellschaft im „Simplicissimus“ aus dem Jahr 1909. In der Mitte mit erhobenem Glas die legendäre Wirtin Kathi Kobus.

Das Kontrastprogramm zum Café Luitpold bot in wahrscheinlich jeder denkbaren Hinsicht das Lokal „Simplicissimus“, benannt nach der beliebten und gefürchteten Münchner Satirezeitschrift, die weder der geistlichen Obrigkeit noch dem Königshaus auch nur einen Handbreit Respekt zollte. Statt Haute-Volée traf sich in der Türkenstraße eine illustre Mischung aus jungem, wildem Künstlervolk und Studenten der nahen Ludwig-Maximilians-Universität. Literaten wie Frank Wedekind stellten ihre Texte vor und bekannte Künstler des komischen Fachs wie Karl Valentin nutzten zur Begeisterung der anwesenden Bohème die kleine Bühne des Lokals.

 

Blick auf die Tonhalle aus dem Jahr 1930.
Blick auf die Tonhalle aus dem Jahr 1930.

Nicht allzu weit von dieser Hochburg künstlerischer Freiheit entfernt, an der Ecke Türkenstraße und Prinz-Ludwig-Straße, fand sich ein weiterer Anlaufpunkt für den kunstinteressierten Münchner. Die 1895 erbaute Tonhalle beherbergte die Vorgänger der heutigen Münchner Philharmoniker, das 1893 von Franz Kaim gegründete Kaim-Orchester, und galt neben dem Odeon als eine der wichtigsten Konzerthallen Münchens. Im Gegensatz zum Lokal Simplicissimus, das heute „Alter Simpl“ heißt und dem man immer noch einen Besuch abstatten kann, erinnert an die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Tonhalle nur noch
eine Gedenktafel.

Der Löwenbräukeller im Jahr 1885. Den Stiglmaierplatz queren ein Wagen der Pferdetrambahn und ein Zug der Dampftrambahn, die von hier aus nach Nymphenburg fuhr.
Der Löwenbräukeller im Jahr 1885. Den Stiglmaierplatz queren ein Wagen der Pferdetrambahn und ein Zug der Dampftrambahn, die von hier aus nach Nymphenburg fuhr.

Münchner Vergnügungen erhielten sicher auch in Zeiten der alten Maxvorstadt einen nicht unbeträchtlichen Antrieb durch das bayerische Nationalgetränk – das Bier. Am Westrand des Viertels beherbergte traditionell der Höhenzug des Neuhauser Galgen- oder Sandbergs die Vielzahl von Brauereien mit ihren Lagerkellern. Bis zum Stiglmaierplatz zog sich die „Bierkeller-Landschaft“, wo sie im eindrucksvollen Löwenbräukeller ab dem Eröffnungsjahr 1883 einen markanten Eckpunkt erhielt. Um die Jahrhundertwende entwickelte sich das Wirtshaus zu einem regelrechten Veranstaltungszentrum.

Der bekannte Historiker und ehemalige Leiter des Münchner Stadtarchivs Dr. Richard Bauer lädt wieder zu einer Zeitreise ins alte München ein und rückt im fünften Band die Maxvorstadt mit ihrer glanzvollen, aber auch politisch bewegten Geschichte in den Fokus.