Bayerische Geschichte(n), Folge 12/2014: Die Planburschen bitten zum Tanz

In der Kirche St. Michael in der Ortsmitte Gochsheims wird die Gochsumer Kerm mit einem Festgottesdienst eingeleitet.
In der Kirche St. Michael in der Ortsmitte Gochsheims wird die Gochsumer Kerm mit einem Festgottesdienst eingeleitet.

Liebe Leserin, lieber Leser,

jedes Jahr am ersten Sonntag im September führen in Gochsheim die Burschen ihre Mädchen aus den Häusern hin zur Dorfmitte und ein Tanz bis spät in die Nacht beginnt. In Gochsheim ist man von alters her stolz auf den Status „Reichsdorf Gochsheim“. Bis 1802 wurden der Gemeinde spezielle Rechte und Privilegien zugestanden, die sie von den umliegenden Dörfern abhoben. Als ihr aufgrund des Dreißigjährigen Kriegs für 14 Jahre die Reichsfreiheit genommen wurde, bot die Wiederherstellung der Reichszugehörigkeit 1649 einen geeigneten Anlass für ein einzigartiges Friedensfest. Nun mit der Kirchweih verbunden, hat der Brauch sich bis heute erhalten: Die „Gochshumer Kerm“ wird jeden Herbst aufs Neue gefeiert.

Zum Walzer, Rheinländer oder Dreher tanzen die Planburschen und Planmädchen unter der Leitung des „Planhüpfers“.
Zum Walzer, Rheinländer oder Dreher tanzen die Planburschen und Planmädchen unter der Leitung des „Planhüpfers“.

Das Fest folgt einem strikten Programm. Nach einer kirchlichen Zeremonie mit Pfarrer und Bürgermeister holen die „Planburschen“ ihre „Planmädchen“ und leiten gemeinsam den Plantanz ein, der alle Neugierigen zum Mitmachen einlädt. Dabei machen viele, traditionsreiche Details die „Gochsumer Kerm“ zu etwas Besonderem: Der Planbaum, der auf dem Festplatz vor den Fachwerkbauten aufgestellt wird. Der Plankuchen, der als Zeichen der Wiedererlangung der Reichsfreiheit aufgehängt wird. Und auch die bunte Tracht, die die Planburschen für diesen Tag anlegen. Im schwarzen Rock mit violetter Verzierung samt blütengeschmücktem Zylinder drehen sich die Burschen im Walzerschritt zur Musik.

Der gesamte Keller der Papiermühle ist von Transmissionsriemen durchzogen, mit denen die Wasserkraft abgezweigt werden konnte.
Der gesamte Keller der Papiermühle ist von Transmissionsriemen durchzogen, mit denen die Wasserkraft abgezweigt werden konnte.

Doch nicht nur in Gochsheim spürt man das „lebendig gebliebene Brauchtum“. Überall in Mainfranken kann man Geschichte erleben. In Mönchsondheim beispielsweise bildet eine Kirchenburg die Kulisse für eine Reise in vergangene Zeiten. Neben einer alten Schule oder einer Weinkelterei findet sich hier eine Vielzahl alter Werkstätten, die aus den umliegenden Orten zusammengetragen wurden. Ausgediente Werkzeuge der Schmiede, Weber oder Schreiner sind dort ausgestellt. Weiter westlich, in Homburg, wurde gleichfalls ein altes Handwerk am Leben erhalten. Die Papiermühle der Familie Follmer, die schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Betrieb ist, ist nun Museum und Manufaktur zugleich. Hier wird nicht nur in der fünften Generation Papier hergestellt, sondern auch Museumsbesucher haben die Möglichkeit, sich selbst als Papiermacher zu versuchen.

Faszinierende Ausflugsziele und Wanderwege jenseits von Touristenströmen gibt es überall. Man muss sie nur kennen. Rainer Leng, Historiker und Mittelalterfachmann, führt mit Insiderwissen und einer Vorliebe für historische Zusammenhänge durch die uralte Kulturlandschaft. Er erzählt von Hexen, Heiligen und Heldinnen, Bayerns ältester Bank und Minnesängern. Nebenbei erklärt er, warum Gipsi der Dinosaurier Wanderer in Sulzheim begleitet und was der Bosporus und Ochsenfurt gemeinsam haben.