Bayerische Geschichte(n) 9/2010: Wie kam der „Eisenbahner“ ins Kartenspiel?

Ein liebevoll gestalteter „Pfeifer“, sprich: Flötenspieler, als Gras-Ober (um 1780). Die handschriftlichen Wahrsagevermerke zeigen, dass mit den Karten nicht nur gespielt wurde …

Liebe Leserin, lieber Leser,
was verschafft dem „Eisenbahner“ die Ehre, im bayerischen Kartenspiel vertreten zu sein? Weder von Bäckern, noch von Metzgern oder Mechanikern, nein, ausgerechnet von „Eisenbahnern“ ist die Rede, wenn man von den „Zehner“- Spielkarten spricht. Und dann entstammt der Begriff auch noch einem Kartenspiel, das seinen Ursprung im 16. Jahrhundert hat, rund dreihundert Jahre bevor die ersten Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen ihren Betrieb aufnahmen.

Als der "Eisenbahner" noch ein Bannerträger war. Die Gras-10 des H.S. Beham aus Nürnberg um 1530."

Man muss schon ein bisschen zurückgehen in der Geschichte der bayerischen Spielkarten, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen: Im „Ulm-Münchner“ Urtyp der Karten findet man zwar die Zahlenkarten Zwei bis Neun, jedoch keine Zehn. Diese wird vertreten von einer Karte, die nur eine fast quadratische Fahne zeigt, auf welcher das zugehörige Farbsymbol dargestellt ist. Eine Fahne mit Feld- oder Hoheitszeichen aber wird auch als Banner bezeichnet.

Seine Popularität brachte ihn auf die höchste Karte: König Ludwig II. als Herz-König.

Spätere Spielkarten, die immer aufwändiger und detaillierter gezeichnet wurden, hatte man zunächst zusätzlich mit einem römischen „X“ für die Zahl Zehn versehen, dann wurden in die Banner auch noch die zehn Farbzeichen gestochen. Der Vereinheitlichung der Kartenmotive fiel letztlich das Banner ganz zum Opfer. Dennoch wurde weiterhin aus Gewohnheit von der Zehnerkarte als der „Banner- Karte“ gesprochen. Vom Banner zum Bahner aber ist es nicht weit. Und wer eingefleischte „Schafkopfer“ und „Watter“ kennt, der weiß auch um deren Lust zur Verballhornung von Wörtern und Begriffen. Und so hat man ganz einfach aus dem Banner, mit dem man mit der Zeit nichts mehr verbinden konnte, den modernen „Bahner“, den „Eisenbahner“ eben gemacht.

Das "Einfachbild" bot reichlich Platz für detaillierte Genreszenen, Veduten und Figuren (Hier: das Wertachbrucker Tor in Augsburg). Seit ca. 1900 setzten sich dennoch die Doppelbilder durch, wie wir sie heute kennen.

Bayerische Unterhaltung und Kultur sind untrennbar mit dem Kartenspiel verbunden, und das schon seit dem Mittelalter. Der leidenschaftliche Sammler und Autor Manfred Hausler stellt in seinem reich bebilderten Werk umfassend die Geschichte der bayerischen Spielkarten vor, ihre Augsburger Herkunft, ihre Varianten in Franken, Regensburg, Böhmen und Österreich, und geht nebenbei so mancher Frage auf den Grund, die sich der ein oder andere schon im Zusammenhang mit dem bayerischen Wirtshaussport gestellt haben mag. Nicht nur für Kartenspieler ein echter Trumpf-Stich!