Bayerische Geschichten 32/2021: Die Geschichte der Passionsspiele geht weiter

Liebe Leserin, lieber Leser,
nächstes Jahr ist es so weit: Nach der pandemiebedingten Verschiebung sollen die Oberammergauer Passionsspiele 2022 endlich wieder stattfinden. Das erfolgreichste Laienspiel weltweit, das auf ein Pestgelübde aus dem Jahr 1633 zurückgeht, findet in der Regel immer zur vollen Dekade statt, stellt die letzten sechs Tage im Leben Jesu dar und beschäftigt fast die Hälfte der Oberammergauer als Mitspieler und -sänger. Werfen Sie mit unserem opulent bebilderten Band „Die Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele“ von Viola Schenz vorab einen Blick hinter die Kulissen des Spektakels! Die Neuauflage wurde komplett überarbeitet und aktualisiert – inklusive eindrücklicher Berichte, welchen Einfluss die Pandemie auf die Passionsspiele hatte.

Die Spiele wurden um zwei Jahre verlegt, womit auch alle Plakate, Souvenirs und die Geschäftsstelle neu beschriftet werden mussten – aus „2020“ wurde „2022“. (Foto: Dominik Bartl)

Alles auf Anfang: Die Proben liefen, Bühnenbauer und Kostümnäherinnen werkelten auf Hochtouren, Hoteliers stockten ihr Personal auf. Doch dann kam im Frühjahr 2020 Corona und stoppte sämtliche Vorbereitungen. Vor exakt 100 Jahren konnten die Passionsspiele ebenfalls nicht wie geplant stattfinden und wurden um zwei Jahre auf 1922 verschoben. Damals stellte nicht nur die unzureichende Lebensmittelversorgung nach dem Ersten Weltkrieg, sondern auch die gewaltige Zahl der Kriegsgefallenen die Passion vor Schwierigkeiten: Es fehlten schlicht Mitspieler, um die vielen Haupt-, Neben- und Statistenrollen zu besetzen.

Mit technischer Raffinesse wird Christus täuschend echt ans Kreuz genagelt. Wie das funktioniert, fragen sich viele Zuschauer bis heute (Foto: Passionsspiele Oberammergau 2010)

Schon immer war es ein Anliegen der Oberammergauer, mit dem Passionsspiel nicht nur ihre Frömmigkeit unter Beweis zu stellen, sondern auch den Glauben weiterzuverbreiten. Mit der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt aufwendigeren Nachstellung der Kreuzigung und Auferstehung Jesu erlangten sie schnell Berühmtheit – und fanden Anklang in der ganzen Welt. Das war sogar manchen Vertretern der katholischen Kirche ein Dorn im Auge: So stattete etwa ein hoher Geistlicher aus dem Ausland Oberammergau einst einen Besuch ab, der „dem Unfug der Passion ein Ende“ machen wollte, von der Aufführung aber „bekehrt“ zurückkehrte. Der Schriftsteller Guido Görres beschrieb wenig später eine Besucherin, die von dem Schauspiel emotional so ergriffen war, dass sie das Theater vorzeitig verlassen musste.

Im Jahr 2010 besuchten 515.000 Zuschauer die Oberammergauer Passionsspiele. Für die nächsten Spiele 2020 wird eine ähnliche Besuchermenge erwartet. Hier eine Schlüsselszene aus den Passionsspielen 2010 (Foto: Passionsspiele Oberammergau 2010).

Mit ihrem umfassenden Werk zu den Passionsspielen – in englischer und in deutscher Sprache erhältlich – gewährt die Journalistin Viola Schenz, selbst Wahl-Oberammergauerin und seit Langem fasziniert von dem gewaltigen Schauspiel, einmalige Blicke auf bald 400 Jahre erfolgreich gepflegte Tradition. Die Autorin verrät nicht nur bisher streng gehütete Geheimnisse, sondern erzählt auch, was bei der zentralen Kreuzigungsszene alles schief gehen kann, wer zum bekanntesten Christusdarsteller aufstieg oder was es mit dem berühmt-berüchtigten Haar- und Barterlass auf sich hat. Die perfekte Vorbereitung auf die Spiele 2022!