Bayerische Geschichten 20/2022: Alle Jahre wieder

Liebe Leserin, lieber Leser,

in 4. Auflage endlich wieder verfügbar: Machen Sie Ihren Lieben diesen Winter eine besondere Freude mit dem „Münchner Adventskalender“. In 24 Kapiteln wird mit vielen Anekdoten, Tipps und Tricks die Wartezeit auf Weihnachten verkürzt. Wo gibt es das feinste Räucherwerk zu kaufen? Was hat es mit Fatschenkindl, Klausenholz und Mettensau auf sich? Wo lockt die größte Krippensammlung der Welt? Die Autorinnen Angelika Dreyer und Martina Sepp führen gekonnt in die schönsten, teils uralten Münchner Adventsbräuche ein und lassen Geschichte lebendig werden.

Die Postkarte aus dem Jahr 1901 zeigt eine ikonische Szene des Märchens: Hänsel und Gretel „knuspern“ am Lebkuchenhaus der Hexe. (Bild: Dreyer/Sepp)

„Also, die erste Aufführung muß unbedingt in München sein, das steht fest“, schrieb Engelbert Humperdinck im Oktober 1893 an den Münchner Musikdirektor Levi und schlug ihm vor, den Termin der Uraufführung seiner neuen Oper „Hänsel und Gretel“ auf den ersten Adventssonntag zu legen. Ein Geniestreich – denn seither sind München und die Weihnachtszeit untrennbar mit „Hänsel und Gretel“ verbunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Stück zu einem solchen Kassenschlager, dass die verehrte „Gretel“-Darstellerin Gisela Ehrensperger nach ungefähr 150 Vorstellungen keineswegs in den Ruhestand ging, sondern direkt auf die Rolle der Hexe wechselte.

„Lebkuchenmädchen“ auf einer Postkarte um 1905: Das beste Rezept für „Feine Gewürzlebkuchen“ wird im Buch auf S. 44 verraten. (Bild: Dreyer/Sepp)

Die Uraufführung der Oper hatte 1893 jedoch mit harten Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen: Eine im Dezember grassierende Grippewelle zwang ganze acht Orchestermitglieder ins Bett und die Darstellerin des „Hänsel“ fiel wegen eines verstauchten Beins aus. Ihren schweren Part übernahm „Gretel“, die wiederum von einem Fräulein Schubert „so weit ihr kleines Stimmchen es gestattete“ ersetzt wurde. Richard Strauß schrieb hierüber entschuldigend an seinen Freund Humperdinck: „Das ist das Theater, ewige Unvollkommenheit, ewige Compromisse zu Gunsten des Geldbeutels!“

Der farbige Holzstich, um 1890, zeigt die Herstellung von Lebkuchen im großen Stil: Aus Honig, Melasse, Mandeln, Eiern und Mehl entstehen wahre Köstlichkeiten. (Bild: Antiquariat Franziska Bierl)

„Hänsel und Gretel“ wurde allen Problemen zum Trotz zu einem Stück Münchner Kulturgeschichte mit festem Platz in der Adventszeit. Allein die Kritiken spiegeln den wechselnden Zeitgeist wider: So beanstandeten die Tageszeitungen 1965, dass „Hänsel“ auf der Bühne seinen vom Hexenhaus gebrochenen Lebkuchen bereits nach dem ersten Bissen wieder fallen ließ: Lebensmittelverschwendung! Als 1978 das Zeitalter der Familien- und Paartherapie anbrach, hieß es über die Figur des Vaters, eines armen Besenbinders: „Sein keifendes Ehegespons treibt mit ihren verzweifelt autoritären Oktavsprüngen nicht nur die Kinder Hänsel und Gretel in den Wald, sondern auch ihren Mann zum Suff.“