Bayerische Geschichte(n) 19/2012: Wein für die Pappenheimer

Älteste gedruckte Ansicht von Nürnberg aus der Schedelschen Weltchronik, um 1493

Liebe Leserin, lieber Leser,

der verwitwete Stadtadlige Anton Tucher, der als Vorderster Losunger und damit erster Regierer der Stadt Nürnberg zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen großen Haushalt führte, trug allein für den Wein jährliche Ausgaben von 97 rheinischen Gulden in sein Kassenbuch ein. Die erste Lieferung erhielt er im Januar, wenn der neue Wein aus dem nahen Unter- und Mittelfranken in Nürnberg ankam. Bis zum August kaufte er dann jeweils zwischen 250 und gut 1.200 Liter bei verschiedenen Weinhändlern ein. Geordert wurden immer ganze Fässer oder Fässchen – wobei in letztere immerhin 300 Liter hineinpassten.

Weinlager, vornehmer Herr und Winzer mit Weinrebe. Aus dem Frontispiz des Weinbuchs des Johann Rasch, um 1580

Es wäre jedoch ein Trugschluss, wenn man meinen würde, dass Wein in den west- und oberdeutschen Städten des Spätmittelalters ein reines Luxusgut gewesen sei. Vielmehr gehörte der Wein, den man bei Krämern kaufen oder im Wirtshaus trinken konnte, zu den Grundnahrungsmitteln, ebenso wie Musgetreide, Brot, Fleisch und Hering. Wein wurde zumindest bis in die unteren Mittelschichten der Städte getrunken. Tägliche Weinrationen gehörten auch zur Verköstigung von Knechten, Mägden und Tagelöhnern. In Nürnberg erhielten auch die Latrinenreiniger, die man auch als „Pappenheimer“ bezeichnete, aus dem Bauamt neben dem Barlohn noch „ire recht“, nämlich Wein, Bier, Käse und Brot.

Ein vornehm gekleiderter Herr betrachtet die Farbe eines Weines. Darstellung aus dem Hortus sanitatis des Johann Prüß, 1497

Im Gegensatz zum vornehmen Stadtadel, der sich bei Wein und Brotgetreide auch Vorratshaltung leisten konnte, waren die Handwerker- und Tagelöhnerhaushalte beim Wein wie bei allen anderen Nahrungsmitteln direkt vom täglichen Markt abhängig. Im Haus von Anton Tucher etwa wurden auch zwei bis vier Jahre alte Weine getrunken, die über einen so langen Zeitraum im Fass gelagert wurden. Die meisten Stadtbewohner mussten jedoch in den immer wieder eintretenden Versorgungskrisen und auch sonst in schlechten Zeiten auf das weitaus günstigere Bier zurückgreifen. Als Nürnberg während des Markgrafenkriegs 1449/50 mit einer Handelsblockade belegt wurde, wurde der Wein teuer, nur noch „die wenigen gesunt leut, die in nit absprechen wolten“, kauften ihn jetzt, wie Erhart Schürstab in seinem Kriegsbericht schreibt. Als auch das Bier knapp wurde, blieb nur noch „daz pest dranck“ Wasser übrig.

Die Kaiserburg ist ein Zeugnis des mittelalterlichen Nürnbergs.

Wer im mittelalterlichen Nürnberg Wein trank und in welchen Mengen der Rebensaft dort konsumiert wurde, das hat der Historiker Gerhard Fouquet für die „Geschichte des fränkischen Weinbaus. Von den Anfängen bis 1800“ zusammengefasst. Andreas Otto Weber und Jesko Graf zu Dohna geben dieses auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitete Standardwerk zur Geschichte des Weinbaus in Franken von seinen frühmittelalterlichen Anfängen bis in die Zeit der beginnenden Industrialisierung um 1800 heraus. Als Autoren konnten sie die besten Kenner der historischen Weinkultur Frankens gewinnen. Franken ist damit das erste deutsche Weinbaugebiet, für das ein derartiges Buch auf den Markt kommt.