Bayerische Geschichten 18/2022: Zeig mir deinen Hut und ich sag dir, wer du bist!

Liebe Leserin, lieber Leser,

Kopfbedeckungen sind ein wichtiges Element der Selbstdarstellung. So erhielten römische Sklaven bei ihrer Freilassung eine Filzkappe und damit das Recht des Freien, ihr Haupt zu bedecken. Als Kommunikationsmittel verleihen Hüte und Hauben Würde oder machen Hierarchien sichtbar. Johannes Pietsch gibt in seinem reich illustrierten Begleitband „Hauptsache“ zur gleichnamigen Sonderausstellung im Bayerischen Nationalmuseum einen grandiosen Überblick zur Kulturgeschichte der Kopfbekleidung. Die Bandbreite der Kapitel setzt die Kopfbedeckungen mit historischen Bildmaterial in überraschende Kontexte. Mit zusätzlich 250 abgebildeten Objekten reicht der zeitliche Horizont von prächtigen Mitren über anmutige Damenhüte bis hin zu aktuellen Designermodellen.

DUNKELBLAUE CAP VON SMUDO
New Era Cap, Buffalo/New York, 2019
Wollköper, Baumwollköper
Leihgabe von Smudo
© Bayerisches Nationalmuseum
Foto Bastian Krack

Ein Beispiel dafür ist diese dunkelblaue Baseball-Cap mit grüngefüttertem Schirm und der markanten Initiale „S“, die von dem Rap-Musiker Smudo während der Deutschlandtour 2021 getragen wurde. Caps sind ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Hip-Hop-Kultur, der bereits seit den 1980-er Jahren durch seine Gestaltung die Zugehörigkeit zu einem Viertel anzeigt oder Musikstil und Lieblings-Sport-Team enthüllt.

SCHIRMHAUBE
Allgäu, um 1830/50
Metallhohlspitze, Metallfolie, Baumwoll-Maschinentüll, Baumwollstopfarbeit, Seidenjacquard-Bänder, Baumwollgewebe
© Bayerisches Nationalmuseum
Foto Bastian Krack

Ähnliches lässt sich beobachten, wenn wir in der Geschichte zurückgehen: Um 1800 entstanden in Süddeutschland neue Haubenformen. Die Freiheit der unteren Bevölkerungsschichten in Bezug auf die Gestaltung ihrer Kleidung führte zu überdimensionierten Ausmaßen, wie etwa in Linz, Augsburg oder im Allgäu. Dem Erfindungsreichtum der Bürgerinnen scheinen damals keine Grenzen gesetzt worden zu sein und so ist in den neuen Kopfbedeckungen eine regelrechte Lust an prachtvoller Ausschmückung zu erkennen. Die abgebildete Schirmhaube umhüllt den Kopf der Trägerin wie ein Lampenschirm und mutet wahrlich bizarr an. Im Allgäu zeigten die Trägerinnen der unteren Bevölkerungsschichten mit dieser Schirmhaube zugleich ihre regionale Zugehörigkeit und versuchten, sich untereinander hervorzuheben.

FLINDERHAUBE
Nürnberg, um 1640/80
Metalldraht, Seidenfäden, vergoldete Kupferlegierung, Leinengewebe, Baumwollwatte
© Bayerisches Nationalmuseum
Foto Bastian Krack

Ein Element der Selbstdarstellung erster Güte war diese pompöse Nürnberger Goldhaube. Die bei der kleinsten Bewegung zitternden und das Licht reflektierenden Flinderplättchen waren der ganze Stolz ihrer Trägerinnen. Da die Fertigung sehr zeitintensiv ist und viel Material benötigt, das damals teuer war, verkörperten sie höchsten Luxus. In den Nürnberger Kleidervorschriften von 1657 war die Goldhaube zudem nur dem Ersten Stand, also den Patrizierinnen, erlaubt. Als Alleinstellungsmerkmal wurden sie daher gern von Frauen aus den vornehmen Nürnberger Familien getragen.