Bayerische Geschichten 17/2022: Münchens verborgene Schätze

Liebe Leserin, lieber Leser,

München steckt voller einzigartiger Räumlichkeiten, die Geschichte atmen – vom glanzvollen Prachtbau bis zum verwunschenen Lost Place. Einige Räume wurden im Laufe der Zeit umfunktioniert, andere sind für die Öffentlichkeit so gut wie nie zugänglich. Sie alle eint ihre einzigartige Ausstrahlung, sie alle stecken voller magischer Momente. Achim Frank Schmidt, Kathrin Braun und Tim Brügmann haben diese Orte erkundet. In dem hochwertigen Bildband „Münchens magische Mauern“ zeigen sie den besonderen Zauber und die Geheimnisse von einigen der schönsten und historisch bedeutsamsten Orte Münchens.

Senol Özdemir, Mitarbeiter der Stadtentwässerung, kontrolliert ein Licht, das den Zulauf zum Rückhaltebecken ausleuchtet (alle Fotos: Achim Frank Schmidt).

Nichts deutet darauf hin, dass sich westlich der Parkanlage Hirschgarten im Stadtteil Nymphenburg unter einer großen, unscheinbaren Metallabdeckung eines der größten Regenrückhaltebecken Europas befindet: eine riesige Zisterne mit Platz für 90.000 Kubikmeter Wasser. In dem großen, weiten Raum stehen zahlreiche etwa vier Meter hohe Betonsäulen in Reihe, der glitschige Betonboden ist durchzogen von Rinnen. Glühlampen tauchen die unterirdische Welt in orangefarbenes Licht. Es riecht organisch, leicht modrig. Senol Özdemir arbeitet seit beinahe 25 Jahren unter der Oberfläche Münchens. Ihn fasziniert die Tatsache, dass man sich quer durch München bewegen könnte, ohne jemals mit Tageslicht in Berührung zu kommen. In der Vergangenheit haben hier sogar klassische Konzerte stattgefunden, die improvisierte Konzerthalle wurde dabei von einzelnen Spots bunt beleuchtet. Normalerweise ist der Besuch der Zisterne jedoch nicht erlaubt.

In der 14 Meter hohen, mit Stuck verzierten Schalterhalle fanden früher viele Events statt.

Wer schon mal mit der Münchner S-Bahn unterwegs war, kennt den riesigen Gebäudekomplex – ein 180 Meter langes Lagerhaus mit einer kristallförmigen Kuppel – an der Donnersberger Brücke. Aber nur die wenigsten wissen, was sich hinter den 110 Jahre alten Mauern verbirgt, denn das ehemalige Hauptzollamt an der Landsberger Straße ist in der Regel nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. In der Zollhalle des Jugendstilbaus, die sich direkt unter der markanten gläsernen Kuppel befindet, wurden früher bis zu 31 Züge gleichzeitig entladen und Waren aus der ganzen Welt zwischengelagert. Im Ersten Weltkrieg wurde der verwinkelte Gebäudekomplex als Lazarett genutzt, im Zweiten dann als Heereslager für die Wehrmacht. Heute halten an den Lagerhallen keine Güterzüge mit internationalen Waren mehr, einige Räume wurden stattdessen zu Büros der Zollfahndung, der Kontrolleinheit Verkehrswege und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit umfunktioniert.

Im Glockenspielerker drehen die Figuren, die an ein historisches Ritterturnier erinnern, ihre Runden.

Das Neue Rathaus direkt am Marienplatz ist die Bühne für eine der bekanntesten Touristenattraktionen Münchens. Seit 1909 verrichtet das Glockenspiel hier seinen Dienst und ist aus dem Stadtbild nicht wegzudenken. In rund 40 Metern Höhe tanzen und duellieren sich 32 buntbemalte Kupferfiguren täglich um 11 und 12 Uhr. Besuchern, die von der Kasse im 4. bis hoch in den 9. Stock zu einem unvergleichlichen Ausblick über die Stadt aufsteigen, bleibt aber das eigentliche Herz des Glockenspiels verborgen. Nur einige wenige kennen die inneren Gewerke, die die Figuren in Bewegung setzen. Falls das Herz mal aufhören sollte zu schlagen und das Hauptsystem ausfällt, dann könnten die Glöckner einspringen und selbst in die eingebauten Klaviertasten des Glockenspiels hauen. Zwar ist der Ablauf dank der Expertise der Mitarbeiter streng getaktet und alles läuft automatisch, die Knöpfe der antiken Schaltzentrale will man dennoch nicht missen. Und sei es nur für den Fall, dass mal etwas nicht ganz rund läuft.