Bayerische Geschichten 15/2023: Redt er Bairisch oder is er a Breiß?

Liebe Leserin, lieber Leser,

was macht den Bayern zum Bayern? Johann Rottmeir, Autor der Bestseller „A Hund bist fei scho“, „Jetz gherst da Katz!“ und „Bazi, Blunzn, Breznsoizer“, gibt die Antwort schon im Titel seines neuesten Werks zur bayerischen Sprach- und Kulturgeschichte: „Redt er Bairisch oder is er a Breiß?“ Keine Frage – Sprache stiftet Identität. Doch wo liegen die Wurzeln unseres heutigen bairischen Dialekts? Welche Teile der Mundart stammen „original“ aus der Region und welche zeugen von der Vernetzung mit anderen Ländern und früheren Zeiten? Kelten, Römer, Franzosen und die unvermeidlichen Preußen: Sie alle haben ihre Spuren im Bairischen hinterlassen – weiß-blaue Sprachverwandtschaften, denen Johann Rottmeir mit viel Humor und zahlreichen Anwendungsbeispielen nachspürt.

Mit den Römern schlugen sich in den ersten Jahrhunderten n. Chr. nicht nur Asterix und Obelix herum, sondern auch die auf dem heute bayerischen Gebiet siedelnden Kelten. Noch öfter wurde aber kollaboriert – kein Wunder also, dass ein ansehnlicher Teil des bairischen Wortschatzes lateinische Wurzeln hat. Nehmen wir zum Beispiel das „Fàcke“, schriftdeutsch Ferkel. Dieses Wort wurde – wie auch die Ferkel selbst – von den Römern über die Alpen gebracht: porculus, -i bzw. als Diminutiv porcellus, -i (Schweinchen). Entsprechend der Praxis, schmutzige Erwachsene als „Sau“ zu titulieren, nennt man Kinder, die sich dreckig gemacht haben, auf Bairisch „Fàcke“. Handelt es sich bei den größeren Dreckspatzen um moderate Fälle, kann man „Fàcke“ auch für Erwachsene verwenden.

„Hallodri“ scheint ein dermaßen genuin bairischer Begriff für einen Taugenichts oder Weiberhelden zu sein, dass man wohl nie auf die Idee käme, die Wurzeln dieses Worts im Griechischen zu suchen. So ein bairisch benannter Luftikus, der vor allem Müßiggang und das süße Leben im Sinn hat, stammt jedoch von allotria (ἀλλότρια) ab, was in der griechischen Philosophie alles bezeichnet, was den Menschen vom eigentlich Wichtigen ablenkt, z.B. übertriebener Besitz, Macht, Ruhm oder allzu leidenschaftliche Emotionen. Allotria bedeutet aber auch „Spaß“ oder „vergnüglicher Unfug“. In kunstsinnigen Kreisen bekannt ist die 1873 in München von Franz von Lenbach gegründete „Künstlergesellschaft Allotria“, die nach wie vor besteht. Um dort Mitglied zu werden, sollte man aber kein Hallodri sein.

Arabien ist weit und deshalb ist kaum zu erwarten, dass auch dort Wurzeln bairischer Begriffe zu finden sind – oder? Dank des Französischen als sprachliche Zwischenstation haben es wirklich einige Begriffe über Meer, Land und Berge geschafft. Die vermeintlich simple „Joppm“, die Joppe bzw. das schriftdeutsche Sakko, hat einen solch enormen Weg genommen, um im Bairischen heimisch zu werden. Dieses Wort stammt aus Arabien, wo ein baumwollenes Unterkleid früher gubba hieß. Die Franzosen leiteten davon ihr jupe (Rock) ab, was die Truppen Napoleons im 18. Jahrhundert mit zu uns brachten – zusammen mit dem „Diwan“, dem „Schiläh“, dem „Barchàt“ und einigen weiteren arabischstämmigen Sprach-Wanderern. Der Bayer nennt die „Joppm“ auch „Fràck“.