Bayerische Geschichte(n), 14/2015: Hexenpflanzen, Schmeckbladl und Wurstkraut

In der Burganlage in Pappenheim gibt es weitläufige Gärten, in denen Pflanzen der Volksmedizin ebenso wachsen wie Gewächse des Aberglaubens.
In der Burganlage in Pappenheim gibt es weitläufige Gärten, in denen Pflanzen der Volksmedizin ebenso wachsen wie Gewächse des Aberglaubens. (Foto: Marion Reinhardt)

Liebe Leserin, lieber Leser,

zur Herstellung einer Flugsalbe benötigte man in früheren Zeiten Schwarzes Bilsenkraut, Tollkirsche und Eisenhut. Als mittelalterliche Hexe musste man sich allerdings nach einer Einreibung mit dieser gefährlichen Mischung weniger vor einem Absturz aus großer Höhe denn vor der Inquisition und dem Scheiterhaufen fürchten: Es waren wohl die im Eisenhut enthaltenen Alkaloide, die aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung Halluzinationen von Flügen auf dem Hexenbesen hervorrufen konnten. Heute wächst der hochgiftige Eisenhut, vorsichtshalber mit einem Totenkopfschild gekennzeichnet, in der Abteilung für Zauberpflanzen im Graben der Burg Pappenheim, deren Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Als Aconitum kommt der giftige Blaue Eisenhut als homöopathisches Heilmittel bei Beschwerden, die mit Ruhelosigkeit und Angst einhergehen, zum Einsatz.

Mitten in der Stadt liegt die Gärtnerei Mussärol mit verwunschenen Plätzen inmitten der weitläufigen Anbauflächen.
Mitten in der Stadt liegt die Gärtnerei Mussärol mit verwunschenen Plätzen inmitten der weitläufigen Anbauflächen. (Foto: Marion Reinhardt)

„Dosis sola venenum facit“, warnte schon Paracelsus: Die Menge allein macht das Gift. Um die Heil- und Wunderwirkung von Pflanzen wussten in früheren Jahrhunderten nicht nur Apotheker, Ärzte und Alchemisten: Der Saft der „Belladonna“, so der bezeichnende lateinische Name der ebenfalls hochgiftigen Tollkirsche, war ein begehrtes Schönheitsmittel, das sich allerdings beileibe nicht nur Hexen in die Augen träufelten, um mit erweiterten Pupillen einen besonders verführerischen Blick zu bekommen. Vergleichsweise harmlos ist dagegen das wohlriechende Pflänzlein mit dem schönen Namen „Marienblatt“, das sich junge Mädchen als „Schmeckbladl“ zwischen die Seiten des Gesangbuchs legten. Nicht unterschätzen sollte man aber das „Wurstkraut“ Majoran, das in den Beeten einer Bamberger Gärtnerei wächst: In der Bratwurst sorgt der Mussärol, wie er im Dialekt  heißt, nicht nur für Geschmack, sondern auch für Bekömmlichkeit.

Der Fuchsgarten ist von hohen Mauern umgeben, die Beete sind streng geometrisch angelegt und mit Buchshecken eingefasst.
Der Fuchsgarten ist von hohen Mauern umgeben, die Beete sind streng geometrisch angelegt und mit Buchshecken eingefasst. (Foto: Marion Reinhardt)

Um die Heilwirkung von Kräutern geht es auch im sogenannten „Fuchsgarten“ der Ansbacher Residenz: Dort hat man den Garten rekonstruiert, in dem Leonhart Fuchs, Leibarzt des Markgrafen Georg von Brandenburg, im 16. Jahrhundert allerhand „nützlich und wunderlich kreüter zu allerley gebrechen“ zog. In seinem „New Kreüterbuch“ stellte Fuchs rund 500 einheimische und fremdländische Heil- und Arzneipflanzen vor und beschrieb ausführlich ihre „Krafft und würckung“. So bedeutend allerdings Leonhart Fuchs als einer der Väter der Pflanzenkunde ist, so wenig hat er doch mit der nach ihm benannten Fuchsie zu tun – die gleichwohl heute zu seinen Ehren im Ansbacher Fuchsgarten wächst. Der Franziskanerpater Charles Plumier, der als „Königlicher Botaniker“ im Auftrag von Ludwig XIV. die Antilleninsel Hispaniola bereiste, entdeckte die Pflanze und benannte sie nach dem von ihm geschätzten Botaniker.

Marion Reinhardt stellt in ihrem Buch Bayerns schönste Kräutergärten für wissbegierige Anfänger ebenso vor wie für erfahrene Kräuterkundige: Es liefert historisches Hintergrundwissen und Anwendungsbeispiele – vor allem aber lädt es dazu ein, sich selbst auf den Weg zu machen und die Kräuter mit allen Sinnen zu erfahren.