Bayerische Geschichten 07/2023: Mopeds aus dem Sisi-Schloss
Liebe Leserin, lieber Leser,
wer glaubt, dass ein Fahrrad mit Hilfsmotor, heute als E-Bike bekannt, eine moderne Erfindung ist, der ist auf dem Holzweg! Schon vor über 100 Jahren gab es fleißige Schrauber, die Zweiräder durch die Kraft eines kleinen Motors aufwerteten und dadurch den Fahrer schneller und weniger schweißtreibend ans Ziel brachten. Nach den beiden Weltkriegen setzte – jeweils aus der Not geboren – ein Boom solcher Fahrrad-Hilfsmotoren ein. Walter Zeichner erzählt in „Vom Radfix zum Rex“ erstmals die Erfolgsgeschichte des Rex-Motoren-Werks in München und Possenhofen, das sich nach bescheidenen Anfängen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zum Marktführer für Hilfsmotoren und später für Mopeds in Deutschland entwickelte.
Nachdem die Firma „Rex-Motoren-Werk München GmbH“ bereits mit ihren Hilfsmotoren für Fahrräder große Erfolge feiern durfte, arbeitete man zu Beginn der 1950er Jahre mit Elan an der Serienreife des von Max Seyffer, dem Gründer des Unternehmens, projektierten Motor-Fahrrads, dem späteren Moped. Das neue Rex-Motoren-Werk in München war zwar nunmehr mit hohem Aufwand in eine moderne Produktionsstätte für die Massenherstellung kleiner Zweitaktmotoren verwandelt worden, jedoch konnte es für den geplanten Einstieg in die Fertigung kompletter Fahrzeuge nicht weiter ausgebaut werden. Das Unternehmen stand vor einer großen Herausforderung: Eine geeignete Immobilie für die Ausweitung des Betriebs musste gefunden werden.
Kurt Bagusat, der inzwischen gemeinsam mit seinem Bruder Erich die Leitung des Rex-Motoren-Werks übernommen hatte, hatte seine Leidenschaft für den Pferdesport entdeckt und wurde im Zuge seiner Mitgliedschaft im Reitsportclub Possenhofen auf eine ganz besondere Immobilie aufmerksam: das Schloss Possenhofen, das noch heute vor allem mit Kaiserin Elisabeth von Österreich in Verbindung gebracht wird. Neben dem kleinen Schloss und der zugehörigen Kapelle gab es hier einen großen Wirtschaftsbau, zwar in schlechtem Zustand und teilweise schon genutzt, aber mit viel Platz und Potenzial. Seit Kriegsende beherbergte die Anlage ein staatliches Versehrtenkrankenhaus und bot darüber hinaus Flüchtlingsfamilien Obdach. Diese blieben auch während der folgenden Umbauarbeiten hier wohnen.
Am 3. November 1950 gingen das Schloss und die zugehörigen Ländereien für einen relativ geringen Betrag an die Brüder Bagusat. Unter ihrer Regie wurde nun ein großer Teil des Erdgeschosses des „Hufeisenbaus“ in eine Produktionsstätte für Mopeds umgebaut, der Innenhof wurde als Lager- und Montagehalle überdacht und in einem Flachbau oberhalb der Versehrtenbaracken wurde die Lackiererei und die Galvanisierung eingerichtet. Am 30. Januar 1952 erfolgte dann die Gewerbeanmeldung und die Inbetriebnahme der Fahrzeug-Montage und -Fertigung. Bald schon verließen die ersten Mopeds, damals noch „Motor-Fahrräder“ oder „Mofas“ genannt – die Bezeichnung „Moped“ wurde erst Anfang 1953 eingeführt –, das Werk Possenhofen. In diesen besten Jahren des Unternehmens Mitte der 1950er Jahre bestand die Belegschaft der Werke in München und Possenhofen aus bis zu 900 Personen.
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ISBN: 978-3-86222-460-9 €25,00