Bayerische Geschichte(n), 05/2015: Von Bayern san mir doch alle
Liebe Leserin, lieber Leser,
am 7. November 1918 rief Kurt Eisner in München den Freistaat Bayern aus. Der gemütliche letzte bayerische König, der von seinen Untertanen wegen seiner Liebe zur Landwirtschaft beinahe zärtlich „Millibauer“ genannt wurde, soll vom Ausbruch der Revolution von einem Passanten bei seinem nachmittäglichen Spaziergang im Englischen Garten erfahren haben. Der 73-jährige Ludwig III. ging daraufhin verwirrt nach Hause. Erst als die Revolutionäre schon an den Toren der Residenz rüttelten, verließ die königliche Familie in eilig gemieteten Automobilen die Hauptstadt, landete bei Dunkelheit in der Nähe von Rosenheim im Straßengraben, fand Unterschlupf bei Verwandten im Schlösschen Wildenwart und erreichte am nächsten Tag Schloss Anif jenseits der Grenze in Salzburg.
Das war das profane Ende des Königreichs Bayern. Sage und schreibe 738 Jahre hatten die Wittelsbacher ununterbrochen über Bayern geherrscht. Doch ihre Geschichte reicht weit über diese Zeit hinaus: Schon um das Jahr 1000 lebten und wirkten die Vorfahren des Hauses Wittelsbach in Bayern und auch nach der Revolution von 1918 prägte die ehemals königliche Familie das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Freistaat – bis heute. Herzog Franz von Bayern, seit 1996 Chef des Hauses Wittelsbach, ist bei Weitem nicht der einzige, der findet, dass die Revolution von 1918 nicht die Verbundenheit seiner Familie mit dem Land Bayern beendet hat. Auch fast hundert Jahre nach der Abschaffung der Monarchie ist das Interesse an den Wittelsbachern in Bayern ungebrochen. Und längst erschöpft sich dieses Interesse nicht mehr in der wundersamen Figur des „Märchenkönigs“ Ludwig II. und seinen verschwenderischen Schlossbauten.
Etwas freilich hat sich doch geändert: Die weitverzweigte ehemals königliche Familie ist im Hier und Jetzt angekommen. Herzog Franz von Bayern nimmt als Familienoberhaupt repräsentative Aufgaben wahr, sein besonderes Interesse gilt aber der zeitgenössischen Kunst. Sein Cousin Prinz Luitpold von Bayern, wie er ein Urenkel des letzten bayerischen Königs, ist der bekannte Kaltenberger Bierbrauer und Veranstalter der beliebten Ritterspiele. Und Prinz Leopold, Ur-Ur-Urenkel von König Ludwig I. und derzeitiges Oberhaupt der sogenannten „Adalbertinischen Linie“, wird nicht nur von seiner Familie „Poldi“ genannt. Er kann auf eine verwegene Karriere als Rennfahrer mit immerhin 120 Siegen zurückblicken. Von ihm gibt es die schöne Anekdote, dass er auf die Frage nach seinem Nachnamen mit „von Bayern“ antwortete – worauf sein Gegenüber meinte: „Na, von Bayern san mir doch alle.“
Das Buch „Die Wittelsbacher – Ein Jahrtausend in Bildern“ wird am Donnerstag, 5. März 2015, um 22 Uhr im Bayerischen Fernsehen vorgestellt. Das Kulturmagazin „Capriccio“ zeigt einen Beitrag über den von Prinz Luitpold von Bayern herausgegebenen opulenten Bildband, der die Geschichte Bayerns auf neue und bislang einzigartige Art erzählt: in Gemälden, Zeichnungen, druckgrafischen Arbeiten und in Abbildungen von Denkmälern. Viele der Kunstschätze stammen aus dem Privatbesitz des Hauses Wittelsbach, sind wenig bekannt und wurden bislang noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt. In Bildern und mit begleitenden Texten wird nicht nur die große Geschichte Bayerns, sondern auch die ganz private Familiengeschichte der Wittelsbacher erlebbar.
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ISBN: 978-3-86222-136-3 €78,00