Bayerische Geschichten 02/2025: Vom Königspalast zur Gestapozentrale

Liebe Leserinnen und Leser,

in München entstand unter Reinhard Heydrich 1933 die erste schlagkräftige Politische Polizei in NS-Deutschland, die als Modell für alle weiteren Dienststellen der Geheimen Staatspolizei diente. Erich Kasberger befasst sich in „Macht auf Zeit“ erstmals umfassend mit der Gestapo in München und macht deutlich, wie tief diese über ihre Beamten und Angestellten, darunter auch die Gestapo-Fahrer oder die Sekretärinnen, in der Stadtgesellschaft verankert war. Das Buch endet nicht 1945, sondern nimmt auch die Neuanfänge vieler verbrecherischer Gestapoangehöriger als „Spezialisten“ der neu gegründeten Nachrichtendienste in der Nachkriegszeit in den Blick. 800 Kurzbiografien und zahlreiche, zum Teil unveröffentlichte Fotos geben den Tätern ein Gesicht.

Das Wittelsbacher Palais nach 1850, Stahlstich (Foto: Privatarchiv Erich Kasberger/Marita Krauss)

Der Sitz der München Gestapo war seit 1933 das Wittelsbacher Palais in der Brienner Straße. Mit diesem traditionsreichen, repräsentativen und geräumigen Haus stellte man sich, den eigenen Herrschaftsanspruch legitimierend, räumlich wie optisch in die Tradition ehemaliger wittelsbachischer Herrschaft. Das Gebäude war in den Jahren 1843 bis 1848 nach einem Entwurf des Architekten Friedrich von Gärtner erbaut worden. Der Bau sollte Kronprinz Maximilian als Wohnsitz dienen, der den Palast aber nie bewohnen sollte. Erst später lebte König Ludwig III. in dem dreistöckigen, im gotischen Stil errichteten Gebäude. Nach dem Ende der wittelsbachischen Herrschaft war das Wittelsbacher Palais kurzfristig Tagungsort eines Aktionsausschusses, der beschloss, die Räterepublik auszurufen, und während der Weimarer Republik nahmen dann verschiedene Ministerien in dem Gebäude Quartier.

Technische Innovation: Sende- und Abhörräume im Nordturm des Palais, Grundriss, 1933 (Foto: Staatsarchiv München, STAM NSDAP Planslg. 3052)

Nach der Machtübernahme suchten die Nationalsozialisten in München rasch nach einem Gebäude für die Politische Polizei, die als zentrale Stütze der Herrschaft zusätzliches Personal benötigte, für das es im alten Polizeipräsidium an der Ettstraße keinen Platz gab. Die Wahl fiel schließlich auf das zentral gelegene Wittelsbacher Palais, das man zunächst von der Bayerischen Krongutverwaltung mietete, bevor 1938 endgültig die Besitzverhältnisse wechselten. Für die Zwecke des immer größer werdenden Verfolgungsapparates waren jedoch umfangreiche Umbaumaßnahmen notwendig, die bereits im Sommer 1933 in vollem Gange waren. Dabei sollte der historische Bau mit seiner unübersichtlichen inneren Raumeinteilung in eine funktionale Zentrale polizeilicher Macht und Gewalt umgebaut werden.

Die im Buch groß abgedruckte Karte zeigt die Wohnpräsenz Münchner Gestapoangehöriger in der Stadt. Gestapoangehörige lebten mitten in der Münchner Stadtgesellschaft, ein Drittel hatte ein Amt als Blockwart oder in der NS-Volkswohlfahrt inne. Nachbarn wussten, dass es sich um Gestapoangehörige handelte. Die Karte zeigt 340 Adressen an. Dies entspricht der durchschnittlichen Personalstärke im Wittelsbacher Palais (Karte: Volk Verlag).

Der historische Bau Friedrich von Gärtners mit über dreißig Zimmern, Tanz- und Spielsaal, Bibliothek der Königin und Schlafsalon des Königs wurde mit Arbeits- und Verhörräumen, technischen Einrichtungen und Fuhrparkhaus den Bedürfnissen der Politischen Polizei angepasst. Insgesamt standen mit Kellergeschoss und drei Stockwerken über 4.000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Bereits im Dezember 1933 wurde zudem heimlich die Errichtung eines zusätzlichen Gefangenenhauses mit 22 Zellen für insgesamt 52 Häftlinge betrieben. Das „Hausgefängnis“ war durch einen unterirdischen Gang mit dem vollständig unterkellerten Haupthaus verbunden, durch den die Gefangenen zum Verhör gebracht wurden. Palais und Gestapogefängnis standen in den nächsten zwölf Jahren für eine Symbiose des Schreckens: In den Verhörzimmern des Palais wurde gedroht, geschlagen, gefoltert und im Gefängnis lebte die Furcht vor dem nächsten Tag, vor der Einlieferung ins Konzentrationslager.