Bayerische Geschichten 24/2022: Kreuzwohlauf und pumperlgsund – Gesundheit im alten Bayern

Liebe Leserinnen und Leser,

ist ein Rausch im Monat tatsächlich gesund? Wozu diente eigentlich der sogenannte Hubertusschlüssel? Und was hat es bei alten Menschen mit den drei bösen Zoacha auf sich? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt Helmut A. Seidl in „Obacht geben, länger leben!“ Das Buch versteht sich dabei weniger als medizinischer Ratgeber im heutigen Sinn – suchte man im alten Bayern doch sein Heil vielfach in dubiosen Praktiken und abergläubischen Vorstellungen –, sondern vielmehr als amüsant-kurzweiliger Beitrag zur Kulturgeschichte Bayerns.

Aderlass an der Ellbogenvene auf einem Holzschnitt um 1500

Eine wichtige Rolle bei der Prophylaxe wie auch bei der Therapie spielte im alten Bayern der Aderlass. Mit dieser Prozedur glaubte man schon in der Antike, „gestautes“ und damit verdorbenes Blut aus dem Körper entfernen zu können. Vorbeugend wurde die Maßnahme auch regelmäßig eingesetzt, um Darm und Bauch zu reinigen, die Sinne zu schärfen oder den Schlaf zu erleichtern. Je nach Krankheit wurden dabei durch einen Bader verschiedene Adern mit einer „Aderlasslanzette“ angestochen oder Blutegel angesetzt. Sogenannte Aderlasstafeln gaben Hinweise darauf, an welchen Tagen die Prozedur angebracht war. Meiden sollte man die „Phlebotomie“ unbedingt an drei Tagen: den 1. April, dem 1. August und dem 1. Dezember. Diejenigen, die an einem dieser Unglückstage zur Ader gelassen wurden, starben nämlich – so ein verbreiteter Aberglaube in Bayern – binnen Wochenfrist.

Das meistgebrauchte Instrument beim Biss tollwütiger Hunde: der „Hubertusschlüssel“

Der Aberglaube spielte auch beim sogenannten Hubertusschlüssel eine Rolle. Benannt nach dem heiligen Hubertus, einem der „Vier Marschälle Gottes“, dem man Wunderkräfte bei Seuchen und Krankheiten nachsagte, war dieses Instrument über Jahrhunderte ein beliebtes Mittel gegen die Tollwut. Dabei wurde die Stempelplatte am Kopf des Schlüssels glühend heiß gemacht und auf die Bisswunde gelegt. Hunden in gefährdeten Gebieten brannte man das Mal sogar prophylaktisch auf die Stirn. Bei einfachen Bisswunden genügte es dagegen Hundehaare aufzulegen, ganz gemäß dem alten Heilglauben, wonach das Heilmittel am besten beim Schadensverursacher zu finden ist.

Das gefürchtete Nachtgespenst, die Drud, drückt einen Schlafenden auf einer Zeichnung von Wilhelm Schade (Bild: Monacensia, Mon 3312/1890)

Für unzählige Beschwerden machte man im alten Bayern böse Geister verantwortlich. Um sich Alpträume oder nächtliche Atemnot zu erklären, hatten die Menschen beispielsweise die Vorstellung entwickelt, dass sich ein weiblicher Dämon ganz zum Vergnügen auf die Brust der Schlafenden setzt und deren Qualen genießt. Das Phänomen des „Nachtmahrs“, auch „Drud“ genannt, hatte seine Ursache zumeist wohl in einer zu reichhaltigen Abendmahlzeit oder einer schlechten Schlafposition. Wenn es jedoch hieß „D´Drud hod mi druckt“, sollte ein Pentagramm helfen, das mit geweihter Kreide ans Bett gezeichnet, den Dämon fernhielt. Auch ein korrekt hinter der Haustür platzierter Besen sollte vor nächtlichem Besuch schützen.