Bayerische Geschichte(n), 13/2016: Und jetzt ein kühles Bier!
Liebe Leserin, lieber Leser,
im mittelalterlichen Bayern trank man Wein und keinesfalls Bier. Der im ganzen Land angebaute Wein schmeckte nicht nur besser als das aus unzähligen, manchmal auch lebensgefährlichen Ingredienzen zusammengebraute Bier, er war auch deutlich länger haltbar und deshalb für einen lukrativen Handel geeignet. Um Bier als Wirtschaftsgut zu etablieren, musste man also erstens seine Qualität verbessern und zweitens die Frage der Lagerung klären. Einer „Bierordnung“ der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1380 verdankt Bayern seine ältesten Bierkeller: In der Stadt dürfe fortan nur derjenige Bier brauen, der auch im Besitz eines Kellers zur Lagerung desselben sei, so die Verlautbarung. Die Felsenkeller, die daraufhin in den Burgsandstein der Sebalder Stadtseite geschlagen wurden, sind heute das einzige erhaltene Baudenkmal aus der Frühzeit des bayerischen Biers.
Die Erfindung des Biergartens aber verdankt Bayern nicht den Nürnbergern, sondern seinem ersten König Max I. Joseph: Auf den mit Kastanien bepflanzten Sommerkellern, in denen das Bier während der heißen Monate gekühlt wurde, war der Bierausschank bis 1812 strengstens verboten. Erlaubt war den Brauern lediglich der fassweise Verkauf an Wirte. Da sich die Bierbrauer aber ohnehin nicht durch behördliche Reglementierungen von ihrem profitablen Geschäft unter dem Schatten der Kastanien abhalten ließen, verfügte der weise Regent, dass es „den hiesigen Bierbrauern gestattet seyn solle, auf ihren eigenen Märzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbst gebrautes Merzenbier in Minuto zu verschleißen, und ihre Gäste dortselbst mit Bier u. Brod zu bedienen. Das Abreichen von Speisen und anderen Getränken bleibt ihnen aber ausdrücklich verboten.“ – Und das war die Geburtsstunde des Brotzeitkorbs für den zünftigen Biergartenbesuch.
Die Kastanie, die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammt und erst im 16. Jahrhundert nach Bayern kam, gilt dem Kenner heute als Qualitätsmerkmal für den Biergartengenuss, sie ist beinahe so etwas wie der „Wappenbaum Bayerns“. Das dichte Blätterdach der Kastanien dient jedoch keinesfalls, wie vielfach kolportiert wird, der Kühlung des darunter in den Kellern lagernden Biers, denn die Wirkung ihres Schattens dringt höchstens dreißig bis vierzig Zentimeter in den Boden ein. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings die lindernde Wirkung auf die erhitzten Köpfe der Biertrinker. Als Flachwurzler ist die Kastanie außerdem bestens geeignet, um auf den Kellern gepflanzt zu werden, ohne dass ihre Wurzeln den gemauerten Gewölben Schaden zufügen. Und so fügt sich im bayerischen Biergarten eben das Angenehme mit dem Nützlichen.
Die Erfolgsgeschichte des bayerischen Biers wird bis heute durch eindrucksvolle, über das ganze Land verteilte Baudenkmäler anschaulich dokumentiert. Brauereien, zum Teil vor Jahrhunderten errichtet und bis heute in Betrieb, mittelalterliche Bierkeller und barocke Sudhäuser, dazu Sommerkeller, Biergärten, Braugasthöfe oder auch Hopfenbauernhöfe – sie alle sind steinerne Zeugen für eine in Altbayern und Franken gleichermaßen tief verwurzelte Biertradition. Der unter der fachlichen Federführung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege entwickelte zweite Band von „Genuss mit Geschichte“ stellt reich bebildert 50 ausgewählte Beispiele vor, jedes von ihnen ist ein authentisches, ein erleb- und begehbares Zeugnis bayerischer Biergeschichte.