PI: Der gezähmte Lech
Der Lech ist heute ein „Cyborg“, ein Mischwesen zwischen lebendigem Organismus und Maschine. Er wird wie ein Kraftwerk „gefahren“, seine Wassermenge bestimmt sich durch den Strompreis auf der Leipziger Strombörse. Die Natur ist von der Technik völlig überformt, der Ingenieur triumphiert; der Fluss verschwindet.
Einst war der Lech, der „Schnellfließende“, der wildeste der bayerischen Gebirgsflüsse. Er entspringt in Vorarlberg und fließt durch Tirol nach Bayern. In Augsburg nimmt er die Wertach auf und in Rain am Lech mündet er in die Donau. Schon früh zog er Menschen an. Vermutlich war das wild- und fischreiche Lechtal bereits in der Mittelsteinzeit um 8000 vor Christus besiedelt. Schon die Römer transportierten Holz und Waren auf dem Fluss und die Stadt Augsburg nutzte seine Kräfte seit dem Mittelalter für Handwerk und Industrie.
Ab den vierziger Jahren wurde der Wildfluss Lech systematisch reguliert – zunächst für ein gigantisches Rüstungsprojekt, dann zur Energiegewinnung für die Industrialisierung Bayerns. Heute besteht er auf der bayerischen Seite aus einer Kette von 24 Stauseen mit Flussabschnitten: Betonmauern, Kanäle, Deiche und Sohlstufen so weit das Auge reicht. Der einstmals gewaltige Fluss ist still geworden, 31 Kraftwerke entziehen ihm seine Kraft. Auf der österreichischen Seite hingegen blieb der Wildflusscharakter erhalten und wird durch Renaturierung weiter gestärkt.
Das von Marita Krauss, Stefan Lindl und Jens Soentgen herausgegebene Buch „Der gezähmte Lech“ zeichnet die Biografie der Flusslandschaft vom Mittelalter bis heute nach. Unterstützt von umfangreichem Bildmaterial und auf der Grundlage neuer Forschungsergebnisse fragen die Autoren unterschiedlicher Fachdisziplinen nach den Konflikten und Konfliktlösungen am Lech.