Bayerische Geschichte(n),13/2013: Von Webern, Holzschnitzern und Austräglern

Auf dem Gelände des Freilichtmuseums Glentleiten gibt es neben alten Bauernhöfen auch zahlreiche Almgebäude wie zum Beispiel den Hanndlkaser.
Auf dem Gelände des Freilichtmuseums Glentleiten gibt es neben alten Bauernhöfen auch zahlreiche Almgebäude wie zum Beispiel den Hanndlkaser.

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Zuhäusl des Fischerweberhofs aus Rottach-Egern ist eines der ältesten Gebäude im Freilichtmuseum an der Glentleiten. Der Hof war ursprünglich ein „schlechtes Söldengütl“, dessen Bewohner nicht von der Landwirtschaft leben konnten und deshalb das Weber-Handwerk ausübten. Beim Abbau des kleinen Zuhauses an seinem ursprünglichen Standort machten die Archäologen einen höchst ungewöhnlichen Fund: Unter einer Wand entdeckten sie zwei Tierskelette, ein Ferkel und ein Kalb, deren Köpfe nach Osten ausgerichtet waren. Ob es sich bei den beiden Tieren, die dort unter einem Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert abgelegt worden waren, um Opfergaben handelte, konnte bislang nicht geklärt werden – sicher ist lediglich, dass es keine Schlachtabfälle waren.

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Die außergewöhnlich reiche Ausstattung der Privatkapelle des Fischerweberhofs wurde seit 1900 nicht mehr verändert.
Die außergewöhnlich reiche Ausstattung der Privatkapelle des Fischerweberhofs wurde seit 1900 nicht mehr verändert.

Das ist aber bei Weitem nicht das einzige Rätsel um das uralte Gebäude. Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert diente es der Fischerweberfamilie als Austragshaus. Die zweigeschossige Kapelle in seinem Inneren baute aber schon der erste Joseph Jaud ein, der 1783 in den Hof eingeheiratet hatte und dem fünf Generationen mit dem gleichen Namen folgen sollten. Womöglich diente ihm die kleine Kapelle als eine Art „Showroom“ für seine Holzschnitzerkunst. Bei einigen der – eher laienhaft hergestellten – Heiligenfiguren dürfte es sich wohl um seine Verkaufsmodelle gehandelt haben, andere stammen aber nachweislich aus früherem Kirchenbesitz. Besonders geheimnisvoll freilich ist die Silbermünze aus dem 16. Jahrhundert, die sich unter den Holzdielen fand, denn sie stammt aus Lucca in der Toskana.

Die Abenteuer von Max und Emily im Freilichtmuseum an der Glentleiten wurden von Martina Mair liebevoll illustriert.
Die Abenteuer von Max und Emily im Freilichtmuseum an der Glentleiten wurden von Martina Mair liebevoll illustriert.

Auch Klosterarbeiten aus Wachs und Glas, sogenannte „Eingerichte“, Hinterglasbilder und Wallfahrtssouvenirs fanden sich in dem über und über gefüllten Sakralraum, als man ihn vor dem Umzug auf die Glentleiten aus seinem Dornröschenschlaf weckte. Er hatte wohl mehreren Generationen als Lagerraum für nicht mehr benötigte Andachtsobjekte gedient. Als das Häusl 1901 an einen Schuster vermietet wurde, hatte man den Eingang verschlossen und erst wieder geöffnet, als neunzig Jahre später der letzte Mieter auszog.

Die Kinderbuchautorin Diana Hillebrand hat jetzt für die Freilichtmuseum an der Glentleiten und sein Zweigmuseum in Amerang zwei Museumsführer für Kinder geschrieben. Nicht nur im Zuhaus des Fischerweberhofs werden ihre beiden kleinen Protagonisten Max und Emily zu Zeitreisenden. Durch die Türen der alten Höfe und Häuser können sie in die Vergangenheit blicken…