PI: Bürgerwelt und Sinnenwelt
Max Weber, der weltweit bekannte Soziologe, war die letzten zwölf Monate seines Lebens Bürger der bayerischen Landeshauptstadt. Es war eine äußerst intensive Zeit und seine Beziehung zu München eine besondere: Bis zu seinem Tod am 14. Juni 1920 lehrte er an der Ludwig-Maximilians-Universität. Unmittelbar erlebte der überzeugte, deshalb heftig umstrittene Demokrat die Nachwehen der Münchner Räterepublik, etwa als Zeuge im Hochverratsprozess gegen Ernst Toller.
Legendär sind zwei seiner Münchner Vorträge: In „Wissenschaft als Beruf“ skizzierte der charismatische Redner 1917 die begrenzten Erkenntnischancen kritischer Forschung und in „Politik als Beruf“ 1919 ein Ethos verantwortlicher politischer Machtausübung. Immer wieder lockten ihn Kunst und Kultur nach München. Im Salon Bernstein begegnete er Thomas Mann und in den Zirkeln der Schwabinger Bohème Franziska zu Reventlow. Gemeinsam mit seiner Frau Marianne wohnte er im Schwabinger Haus der Schriftstellerin Helene Böhlau.
Der Münchner Weber war ein äußerst widersprüchlicher, zwischen protestantischer Pflicht und erotischer Begeisterung für zwei jüngere Frauen zerrissener Mensch, dessen Diagnosen der modernen bürgerlichen Gesellschaft und des okzidentalen Kapitalismus bis heute kontrovers diskutiert werden.