PI: Alte Zeiten, raue Sitten
Henker, Hexen und Huren: die Underdogs aus Bayerns Geschichte
Der erste namentlich bekannte Münchner Scharfrichter Haimpert musste im Jahr 1321 als erste Amtshandlung seinen Vorgänger hängen. Ähnliches wiederholte sich 1378, 1381 und 1408, als der Neue seinen Vorgänger entweder köpfen, ihm die Augen ausstechen oder ihn aus der Stadt hinausprügeln musste. Aber nicht nur wegen seiner grausigen Aufgaben im Strafvollzug mied man den persönlichen Umgang mit einem Henker: Zuweilen besserten diese zwielichtigen Gesellen ihr Einkommen als Bordellbetreiber, Abdecker oder als Abortreiniger auf.
Keiner mochte sie, aber jeder brauchte sie: Henker, Kanalräumer, Prostituierte, Bader, Hausierer und Dienstboten. Wenn sie nicht als Ausgestoßene der Gesellschaft galten, so waren sie doch zumindest nur ihr „Bodensatz“, ein notwendiges Übel, das man scharf ihm Auge behalten musste. Oft genug gerieten „Oben“ und „Unten“ aneinander. Dann schaltete sich die staatliche Obrigkeit ein und es entstanden – bürokratisch gesprochen – Vorgänge und Akten, die in den Archiven überdauert haben. Für die Nachwelt sind diese Archivbestände ein großes Glück, denn Selbstzeugnisse der unteren Schichten sind so gut wie nicht überliefert. Wer von diesen „Underdogs“ konnte schon lesen und schreiben?
Der Archivar Christoph Bachmann ist Leiter des Staatsarchivs München. Zusammen mit Karin Dütsch, Ressortleiterin für Kultur bei der Bayerischen Staatszeitung, gibt er das Buch „Alte Zeiten, raue Sitten – Underdogs aus Bayerns Geschichte“ heraus. Die Autoren dieses Bandes, allesamt ausgewiesene Experten, sind in den Archiven fündig geworden: Sie bringen Abschiedsbriefe von Selbstmördern, historische Karten, Pläne, Fotos, Kupferstiche und Zeichnungen mit den offiziellen Verwaltungsakten in eine Zusammenschau: hier die Wahrnehmung der Betroffenen – dort die Sicht des Staates auf seine Untertanen. So entsteht ein plastisches Bild der jeweiligen Lebenswirklichkeit.