Münchner Geschichte(n) 17/2012: Menschen, die handelten, als andere schwiegen

Der aus Ingolstadt stammende Schreinermeister Josef Greisinger war von 1937 bis 1938 im Gestapogefängnis an der Briennerstraße und in Stadelheim inhaftiert.

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Verfahren gegen Josef Greisinger wurde schließlich eingestellt, weil das Gericht befand, „dass die Hingabe des geringfügigen Geldbetrags von zwanzig Pfennig für den einmaligen Empfang einer getarnten Druckschrift noch keinen genügenden Anhaltspunkt dafür ergibt, dass er sich in die illegale Organisation der SAP einreihen und deren hochverräterische Bestrebungen fördern wollte“. Zuvor aber hatte ihn die Gestapo verhaftet und drei Wochen lang festgehalten, bevor er nach Stadelheim gebracht wurde. Neun Monate sollten bis zum Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht vergehen.

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Die Volksschullehrerin Antonie Pfülf, die unter dem Druck der Verfolgung Selbstmord beging, war wegen ihres sozialen Engagements in Bayern eine bekannte Persönlichkeit.

 

 

 

 

 

 

Die SPD-Reichstagsabgeordnete Antonie Pfülf, die sich zusammen mit Wilhelm Hoegner in den Jahren vor der Machtergreifung für eine energische Bekämpfung des Nationalsozialismus eingesetzt hatte, war eine der ersten, die von den neuen Machthabern im März 1933 verhaftet wurden. Noch im Mai 1933 lehnte sie es ab, Hitlers als „Friedensresolution“ bezeichnete Reichstagsrede anzuhören. Am 8. Juni 1933, kurz vor dem Verbot der SPD, nahm sie sich das Leben.

 

Anton Aschauer wurde nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes in den Wirtschaftsbereinigungsausschuss berufen und saß von 1948 bis 1966 für die SPD im Münchner Stadtrat.

 

 

Im Münchner Stadtteil Ramersdorf hatte sich um den Fräser Anton Aschauer ein Widerstandszirkel gebildet, der sich schon Anfang 1933 auf die Illegalität vorbereitet hatte. Aschauer organisierte die Herausgabe und Verteilung von Flugblättern, unter anderem „21 Thesen gegen den Nationalsozialismus“. Im August 1934 wurde er beim Verpacken von Flugblättern ertappt und verhaftet. Seine Mitstreiter verriet er weder während seiner Zeit in Stadelheim, wo er wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ einsaß, noch im KZ Dachau, wo er schwer misshandelt wurde.

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Neben der Herausgeberin Ingelore Pilwousek und Hans-Jochen Vogel als Mitinitiator saßen zahlreiche Ehrengäste bei der Buchpräsentation im Stadtmuseum in der ersten Reihe (Charlotte Knobloch, Winfried Nerdinger, Hans-Ulrich Pfaffmann, Marita Krauss), Foto: Thomas Hauzenberger.

 

 

 

 

 

 

Nach Hamburg ist München die zweite Stadt, die der während der NS-Zeit verfolgten Sozialdemokraten mit einem umfassenden Erinnerungsbuch gedenkt. Für Altbürgermeister Hans-Jochen Vogel, einen der Initiatoren des Buchprojekts, geht es darum, dass „Bilder von Menschen lebendig werden, die handelten, als andere schwiegen“. Der Herausgeberin Ingelore Pilwousek und den Autoren lagen besonders diejenigen am Herzen, die nicht mehr für sich selbst sprechen können und deren Taten und Leiden bisher unbekannt waren.

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