Münchner Geschichte(n), 02/2015: Ein neuer Bahnhof für das neue München
Liebe Leserin, lieber Leser,
über 500 Züge pro Tag fuhren bereits im Jahr 1946 wieder im Münchner Hauptbahnhof ein und aus. Der provisorische Wiederaufbau der im Bombenhagel zerstörten Bahnhofsgebäude hatte schon am 6. Mai 1945 begonnen – er wurde zu den dringlichsten Aufgaben unmittelbar nach Kriegsende gezählt. Der Architektur-Professor und Münchner Stadtbaurat Karl Meitinger, der als „Vater des neuen Münchens“ gilt, widmete dem Neubau und der Verlegung des Hauptbahnhofs, die schon vor dem Krieg immer wieder diskutiert worden war, große Aufmerksamkeit.
Meitinger schlug vor, das Bahnhofsgebäude in Richtung Westen zu verschieben: „Die geplante neue Lage des Hauptbahnhofs zwischen Paul-Heyse-Straße und Hackerbrücke entspricht dem Wohl und den Interessen der Bevölkerung am besten.“ Der entscheidende Vorteil ergebe sich, so Meitinger weiter, durch den so entstehenden „großen Geschäfts- und Repräsentationsplatz“ vor dem neuen Bahnhofsgebäude: „Dieser Platz, etwa zehnmal so groß wie der Marienplatz“, sollte eine „Entlastung“ der Altstadt mit sich bringen und „ein imposanter Empfangsraum für alle mit der Bahn ankommenden Gäste sein“. Auch die Paul-Heyse-Unterführung geht auf Meitinger zurück, sie wäre dann allerdings unter dem Bahnhofsvorplatz verlaufen.
Letztlich konnte sich Meitinger mit dieser Verlegung des Bahnhofs nicht durchsetzen. Seine größtenteils realisierten Entwürfe für die nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs aus den Ruinen erstandene Stadt waren gleichwohl richtungsweisend – und machen ihn auch zum Retter des „alten Münchens“: Der von ihm favorisierte Wiederaufbau auf den historischen Grundrissen und Straßenzügen mit Korrekturen, wo es für den Autoverkehr notwendig erschien, war in der unmittelbaren Nachkriegszeit durchaus umstritten. Es gab ernst zu nehmende Planungen, nach denen die bayerische Landeshauptstadt an völlig anderer Stelle abseits der Kriegszerstörungen als neue und moderne Großstadt entstehen sollte.
Im Jahr 1946 legte Karl Meitinger das nur 64 Seiten umfassende Exposé „Das Neue München – Vorschläge zum Wiederaufbau“ vor, mit dem die künftige Stadtentwicklung der kriegszerstörten Stadt per Stadtratsbeschluss festgelegt wurde. Das ursprünglich nur für den internen Gebrauch vorgesehene Werk erschien, autorisiert von den amerikanischen Besatzungsbehörden, 1946 in einer kleinen Auflage und war sehr schnell vergriffen. Jetzt wird „Das Neue München“ als Nachdruck des Original-Manuskripts mit den historischen Plänen und Fotografien vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege herausgegeben.
[catalog-product id=“14468″]