Bayerische Geschichten 14/2022: Ein blutiges Rätsel

Liebe Leserin, lieber Leser,

hinterfotzig, süffig, rasant – das ist der neue packenden Krimi vor der Kulisse Münchens aus der Feder von Werner Gerl:

Der Geschichtsprofessor Karl Gregorius, der Vorsitzende des altehrwürdigen Rumford-Clubs, liegt tot in seinem Gartenhaus – erschlagen mit einer legendären Madonnenfigur. Im Hals des Toten steckt eine Keramikscherbe mit Judasmotiv und grausiger Botschaft: Dies war nur der erste Mord! Eine blutige Schnitzeljagd beginnt und führt die Münchner Kommissare Barbara Tischler und Ralf Mangel immer tiefer in die Vergangenheit ihrer Stadt. Zwielichtige Antiquitätenhändler, kommunistische Studentenbünde, amoklaufende Journalisten und DDR-Flüchtlinge – alles weist auf das geschichtsträchtige Jahr 1989. Doch der Mörder scheint den Kommissaren immer einen Schritt voraus zu sein und die Ermittlung wird zum Wettlauf gegen die Zeit …

 

Leseprobe:

Barbara Tischler war abgebrüht, erfahren, ein Profi. Trotzdem ließ sie der Anblick einer Leiche nie kalt, vor allem wenn die Todesursache Mord war. Darauf ließ die Blutlache um den Kopf schließen. Und noch ein weiteres schreckliches Detail. Im Hals des Toten steckte eine Keramikscherbe.
„Was haben Sie herausgefunden?“, fragte Tischler den Arzt.
Bertram kniete sich neben die Leiche. „Das Opfer ist nicht durch den Stich in den Hals gestorben. Dieser wurde ihm post mortem zugefügt.“
„Dann ist dieser Splitter eine Botschaft“, rief Mangel fast freudig aus. Er hatte ein Faible für mysteriöse Details bei Mordfällen. Und er liebte Thriller und Serienkillerromane, ganz im Gegensatz zu seiner nüchternen Vorgesetzten.
[…]
Dann drehte Tischler die Scherbe um und zeigte sie ihrem Kollegen.
„I werd narrisch“, entfuhr es Mangel. Der Kommissar war ein gebürtiger Hallertauer und das Niederbayerische schlug bei ihm immer mal wieder durch. Grund für seine Überraschung war, dass in den Boden der Scherbe feinsäuberlich eine Botschaft eingeritzt war.
„Wenn du jetzt schon verrückt wirst, was wirst du erst, wenn ich dir den Text vorlese?“, schmunzelte Tischler. Dann drehte sie die Scherbe zu sich und las vor: „Kirschblüte stirbt als Nächstes. Sie war am 9.11.1989 bei der Beerdigung ihrer Tante.“
Mangel runzelte die Stirn und schaute seine Chefin skeptisch an. Dann nahm er vorsichtig die Scherbe und las die Inschrift nach.
„Was soll das? Erst dachte ich, du willst mich mal wieder auf den Arm nehmen. Aber jetzt …“, Mangel stockte und schüttelte den Kopf.
„Jetzt meinst du eher, dass uns der Mörder verarschen will?“, fuhr Tischler fort.
„Genau. Wer soll Kirschblüte sein?“
„Ein Deckname vielleicht. Oder ein Nickname, wie man sie im Internet in irgendwelchen Foren benutzt“, rätselte die Kommissarin.
[…]
Dann drehte sich die Kommissarin um und betrachtete in fast hypnotischer Vertiefung den Garten. Hier passte nichts zusammen. Das viel zu große Häuschen mit einer Bayernfahne aus dem 17. Jahrhundert inmitten von ungepflegtem Grün. Und dieser Mord. Ein Mann wird hinterrücks mit einem goldenen Gegenstand erschlagen, den der Mörder extra aus der Vitrine holt, obwohl er das Verbrechen geplant hatte. Normalerweise nimmt jeder Killer seine Waffe mit.
Auf jeden Fall musste der Mörder die Gegebenheiten vor Ort gekannt haben. Und er musste ein Bekannter, vielleicht sogar ein Freund des Opfers gewesen sein. Einem Einbrecher oder zumindest Eindringling hätte Gregorius wohl nicht arglos den Rücken zugekehrt.
Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Was aber, wenn …