Bayerische Geschichte(n) 19/2010: Geweihe im Kloster

Liebe Leserin, lieber Leser,

Von der Jesuitenbibliothek zum Ausstellungsraum: Afrika-Saal des 1809 eröffneten Naturkundemuseums (Foto: Stadtarchiv München).

plötzlich standen ausgestopfte afrikanische Tiere, wo man vorher ausgesuchte klerikale Literatur fand – Die Säkularisation trieb auch in München die seltsamsten Blüten. Das ehemalige Jesuitenkolleg St. Michael in der Neuhauser Straße diente ab 1809 unter anderem als Sitz des Naturkundemuseums, die barocke Klosterbibliothek war fortan ein „Afrika-Saal“.

Geweihe in der Kirche: die ehemals prächtig ausgestattete Augustinerkirche, seit 1966 Jagd- und Fischereimuseum (Foto: BLfD).

Mit der Säkularisation in Bayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor die bis dahin gerade von ihren zahlreichen Kapellen, Kirchen und Klöstern geprägte Münchner Altstadt innerhalb weniger Jahre ihren typisch religiösen Charakter. Mit dem Inkrafttreten wurden 13 Ordensniederlassungen innerhalb der Innenstadt aufgehoben und die Gebäude entweder abgerissen oder anders als bisher genutzt – mitunter mit kuriosen Ergebnissen. Auch die Augustinerkirche war nicht mehr länger Eigentum der Kirche, und bis heute beherbergt sie das Jagd- und Fischereimuseum, das 1966 dort einzog.

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Von außen immer prächtig, ganz gleich, was das Gebäude beherbergte: das Preysing Palais (Ölgemälde von Fritz Beyerlein, um 1935 / Bild: Thomas Karsten Photography).

Doch der bauliche Wandel in Münchens Altstadt fand zu allen Zeiten statt und betroffen waren davon nicht nur sakrale Gebäude. So entstand Anfang des 18. Jahrhunderts in der Residenzstraße, gleich hinter der Feldherrenhalle, ein repräsentatives Adelspalais für Graf Maximilian von Preysing-Hohenaschau. Schon 1844 wurde es vom Palais zum Bankhaus umgestaltet, seine Hauskapelle profaniert und der Innenhof überdacht und zur Schalterhalle umfunktioniert. 1911 ging das Haus in Staatsbesitz über und wurde wieder umgebaut, diesmal zu einem Clubhaus. Und schon 1936 wurden wieder Änderungen vorgenommen, diesmal für den Deutschen Automobilclub!

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Ein Elefant im Kloster: das ehemalige Jesuitenkloster St. Michael in der Neuhauser Straße, ab 1809 u. a. Sitz des Naturkundemuseums, Aufnahme 1928 (Foto: Zoologische Staatssammlung München).

Diese sogenannte Umnutzung hat in München lange Tradition, so mussten einst für fürstliche und sakrale Bauten Bürgerhäuser weichen, seit dem 19. Jahrhundert gibt dagegen die kommerzielle Nutzung den Ton an. Den ersten ganzheitlich umfassenden Überblick über die bewegte Geschichte der Münchner Altstadt hat unser Autor Karl Gattinger nun erstellt, und es geschafft, ein halbes Jahrtausend Bau- und Stadtgeschichte auf 120 Seiten, mit zahlreichen historischen Fotografien, erlebbar zu machen.