Bayerische Geschichte(n) 18/2010: Kaiserliche Utopien in Mittelbayern

Ein aufgestauter Weiher begrenzt die Fossa Carolina im Süden.

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Kaiser träumte schon lange von einer Verbindung zwischen den beiden großen Verkehrsadern seines Reichs, Donau und Rhein. Beflügelt vom Optimismus zugezogener Berater, begann Karl der Große nördlich von Treuchtlingen daher einen groß angelegten Verbindungskanal zwischen der fränkischen Rezat und der Altmühl zu planen, der zu einem der ehrgeizigsten Bauprojekte des frühen Mittelalters in ganz Mitteleuropa avancieren sollte.

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Die Felsenkeller in Schwandorf, hier der sogenannte Dirscherl-Keller im Labyrinth der weitverzweigten Anlage, sind bis heute ein eindrucksvolles Zeugnis der Stadtgeschichte (Foto: Hans-Werner Robold, Stadt Schwandorf).

Der Binnenschifffahrt kam damals eine herausragende Bedeutung zu: Zum einen boten Flussläufe die effizientesten Handelsrouten, weshalb es umso ärgerlicher war, dass die Handelsgüter in dem Gebiet der Wasserscheide zwischen Weißenburg und Treuchtlingen aufgrund Mangels an Wasserwegen umgeladen werden mussten. Zum anderen hätte eine direkte Verbindung von Rhein und Donau das Problem gesicherter Truppenversorgung im Krieg Karls gegen die Awaren in Pannonien, dem heutigen Ungarn, drastisch entschärft.

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Die stark eingewachsene, nach Westen gerichtete Portalseite der Kirchenruine von Aura, einer ehemaligen romanischen Klosterkirche.

Und so setzte Karl alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel in Bewegung, das geplante Projekt zu realisieren: Etwa 6.000 Arbeitskräfte waren rund um die Uhr im Einsatz, um insgesamt 780.000 m³ Erdreich seitlich des ausgehobenen Wasserweges zu bis zu 12 m hohen Wällen zu türmen. Ein für die damalige Zeit beispielloses Kanalsystem aus aneinandergereihten, länglichen Weihern, die mit gewaltigen Rampen miteinander verbunden waren, wurde angelegt.

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Das 1914 errichtete Elefantenhaus im Tierpark Hellabrunn – ein Bild das Vielen vertraut ist. Doch wer kennt schon die Geschichte dazu? (Foto: BLfD)

Indes, so mächtig der Kaiser, so gewaltig sein Reich auch sein mochte – gegen die unbeugsamen Gegebenheiten der Natur konnte er nicht ankommen: „Was die Arbeiter tagsüber schafften, rutschte nachtens infolge unaufhörlicher Regengüsse und durch die sumpfige Beschaffenheit des Erdreichs wieder an seinen Platz zurück.“ Und so wurde die grandiose kaiserliche Utopie zur kräftezehrenden Sisyphusarbeit, die letztlich im wahrsten Sinne des Wortes wieder im Sande verlief. Übrig blieb ein etwa 1.200 m langer und 30 m breiter Graben, der – als größtes technisches Denkmal des frühen Mittelalters in ganz Mitteleuropa – noch heute besichtigt werden kann. Für Besucher lohnt außerdem ein Abstecher zur Dauerausstellung „Fossa Carolina“ in einem renovierten Jurahaus unweit des Grabens. Dieses und 49 weitere Denkmäler aus ganz Bayern, die darauf warten, entdeckt zu werden, werden nun in „Der Geschichte auf der Spur“ vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege vorgestellt.