Bayerische Geschichte(n), 29/2015: Nylonstrümpfe und Kaffee: „Hot Stuff“ in der Möhlstraße

 

Reiches Warenangebot in den Buden an der Möhlstraße (Foto: Stadtarchiv München)
Reiches Warenangebot in den Buden an der Möhlstraße (Foto: Stadtarchiv München)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Nylonstrümpfe, Schuhcreme, Schnürsenkel, Rasierklingen und Zigaretten: Ein Verkaufsstand reiht sich an den nächsten, soweit das Auge reicht. Ein doch recht ungewöhnliches Bild für die Nachkriegszeit. Hier fand der kaufwillige und -kräftige Kunde fast alles, was das Herz begehrte – während die Bevölkerung Bayerns vielerorts Hunger litt und zum Teil lebenswichtige Güter nur schwer zu beschaffen waren. In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs florierte in der Möhlstraße im Münchner Stadtteil Bogenhausen der Schwarzmarkt. Aus den anfänglich „harmlosen“ Tauschgeschäften mit Nachkriegs-Raritäten wie Konserven, Kaffee und Alkohol hatte sich rasch ein gewaltiger illegaler Warenumschlagsplatz entwickelt.

Amerikanische Schuhcreme – „Hot Stuff“ im Nachkriegs-Deutschland (Foto: Stadtarchiv München)
Amerikanische Schuhcreme – „Hot Stuff“ im Nachkriegs-Deutschland (Foto: Stadtarchiv München)

Bogenhausen war der Sitz mehrerer US-amerikanischer und internationaler Hilfseinrichtungen, darunter beispielsweise die UNRRA, die Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen, und der Joint, eine Hilfsorganisation für amerikanische Juden. Sie organisierten die Unterbringung der sogenannten DPs, der displaced persons, also Personen, die sich kriegsbedingt nicht mehr in ihrer Heimat aufhielten, und erfüllten auch andere wichtige Funktionen mit dem Ziel, den „Normalzustand“ wiederherzustellen. Dazu zählte die materielle Versorgung der Kriegsopfer und natürlich auch die der eigenen Truppen, die mit „Trucks“ beliefert wurden. So entstand ein reichhaltiges Angebot an im kriegsgebeutelten Deutschland heiß begehrten Waren.

Unter dem strengen Blick der military police: Deutsche Ordnungskräfte waren hier nicht zuständig – aus deutscher Sicht war der Schwarzmarkt „rechtsfreier Raum (Foto: Michael Hochhäuser)
Unter dem strengen Blick der military police: Deutsche Ordnungskräfte waren hier nicht zuständig – aus deutscher Sicht war der Schwarzmarkt „rechtsfreier Raum“ (Foto: Michael Hochhäuser)

Doch das große Geschäft wurde auf dem Schwarzmarkt nicht mit Waren, sondern mit Geld gemacht. Amerikanische und europäische Währungen kamen in Umlauf, deren Kurs um einiges besser stand als der der Reichsmark. Neben den in Amerika üblichen Dollars trumpften die Besatzer sogar mit einer zweiten Währung auf, den sogenannten „Schanes“, die nur in den von Amerikanern besetzten Gebieten und Stützpunkten Kaufkraft besaßen. Der Wechselkurs änderte sich ständig, er wurde täglich von einem ausgewählten Gremium festgesetzt. Die Rolle, die ihm zukam, war nicht zu unterschätzen: Wer den aktuellen Tageskurs als erster kannte, konnte sich sicher sein, ein gutes Geschäft auf dem Schwarzmarkt zu machen.

Für das Buch „Amis in Bogenhausen“ wurden jetzt unter der Federführung der Historiker Karin Pohl und Willibald Karl Zeitzeugen befragt und Archive durchforstet. Es entsteht ein lebendiges und facettenreiches Bild von Bogenhausen in den ersten Nachkriegsjahren, nicht zuletzt dank der zahlreichen, zum Teil bislang unveröffentlichten Bilder.