Bayerische Geschichte(n), 28/2015: Von Torhütern, Nachtzetteln und Pechpfannen

Das Richtung Thalkirchen weisende Angertor (hier 1856 in einem Gemälde von Franz Stegmann) wurde als „porta in prato“ 1319 erstmals erwähnt. Nach dem Bau der Befestigungsanlagen im 17. Jahrhundert hatte es bereits seine Funktion als Stadttor verloren, 1869 wurde es abgerissen. (Bild: Münchner Stadtmuseum)
Das Richtung Thalkirchen weisende Angertor (hier 1856 in einem Gemälde von Franz Stegmann) wurde als „porta in prato“ 1319 erstmals erwähnt. Nach dem Bau der Befestigungsanlagen im 17. Jahrhundert hatte es bereits seine Funktion als Stadttor verloren, 1869 wurde es abgerissen. (Bild: Münchner Stadtmuseum)

Liebe Leserin, lieber Leser

näherte man sich als Reisender dem mittelalterlichen München, so bot die Stadt einen wehrhaften Anblick: Sie war von einem doppelten Mauerring umgeben. Kam man von Osten auf der alten Salzstraße über die Isarbrücke, dann war dem zur Flussseite gelegenen Isartor direkt an der Brücke das sogenannte Rote Tor vorgelagert. Der Ratsturm, der südliche Turm des Alten Hofs und vor allem der über zwanzig Meter hohe Lueg-ins-Land, 1343 erstmals als „luoger turris“ erwähnt, überragten die mächtigen Stadtmauern. Dennoch fand man, zumindest in Friedenszeiten, die Stadttore tagsüber weit geöffnet. Im Winter schlossen die von der Stadt bezahlten „Torhüter“ die Zugänge abends um neun Uhr, im Sommer sogar erst um zehn Uhr. Hatte man sich verspätet, konnte man am sogenannten Einlass noch bis elf Uhr abends in die Stadt gelangen.

Der Holzschnitt von Michael Wolgemuth aus der Schedel’schen Weltchronik (hier ein Ausschnitt) von 1493 ist die älteste bekannte Ansicht von München und zeigt den Blick auf die mittelalterliche Stadt von Osten. (Bild: Münchner Stadtmuseum)
Der Holzschnitt von Michael Wolgemuth aus der Schedel’schen Weltchronik (hier ein Ausschnitt) von 1493 ist die älteste bekannte Ansicht von München und zeigt den Blick auf die mittelalterliche Stadt von Osten. (Bild: Münchner Stadtmuseum)

Die als „vigilatores“ bezeichneten Wachen hatten den ein- und ausgehenden Personenverkehr zu kontrollieren. Ankommenden Fremden stellten sie einen Gastzettel aus, Spätankömmlinge erhielten einen Sperr- oder Nachtzettel. Bei Seuchengefahr wurden verschärfte Kontrollen durchgeführt: Reisenden, die aus Pest-Gebieten kamen, wurde der Zugang zur Stadt versperrt. Für die Überprüfung der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie für das Kassieren des „Sperrgeldes“ waren hingegen die Zöllner zuständig. Weil sie meist ihre Wohnung in den Torhäusern hatten, übernahmen sie in späteren Jahrhunderten auch die Torwache. Fanden in der Stadt Jahrmärkte, Prozessionen, Turniere oder Fürstenempfänge statt, wurden angesichts der herbeiströmenden Menschenmassen die Tore zusätzlich mit Schützen und bewaffneten Knechten belegt. Die Tore waren mit Kriegsgerät wie Äxten, Pechpfannen und Sturmgabeln ausgestattet. Die nächtliche Schließung der Stadttore wurde erst 1805 aufgehoben.

Das ruinöse Isartor in einer Lithografie von Heinrich Adam um 1830. Das mittelalterliche Stadttor  sollte Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen werden. Seine Erhaltung verdankt es König Ludwig I., der 1833 Friedrich von Gärtner mit der Wiederherstellung in historischer Form beauftragte. (Bild: Stadtarchiv München)
Das ruinöse Isartor in einer Lithografie von Heinrich Adam um 1830. Das mittelalterliche Stadttor sollte Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen werden. Seine Erhaltung verdankt es König Ludwig I., der 1833 Friedrich von Gärtner mit der Wiederherstellung in historischer Form beauftragte. (Bild: Stadtarchiv München)

Bereits die 1158 erstmals urkundlich erwähnte Siedlung „Munichen“ war von einer Befestigung umgeben. Das von einer etwa 1500 Meter langen Mauer umgebene Oval wurde jedoch schon bald zu eng für die wachsende Stadt. Sie zeichnet sich im heutigen Stadtbild ebenso ab wie ihre späteren Erweiterungen und Verstärkungen. Der zweite Mauerring, der 1337 fertiggestellt wurde, lässt sich heute an Straßennamen wie Angertorstraße, Jungfernturm-, Falkenturm-, Neuturm- und Zwingerstraße ablesen. Der Isartorplatz und der Sendlinger-Tor-Platz verweisen auf ehemalige Stadttore. Mauern und Tore wurden im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert, überbaut oder auch ganz abgebrochen. Mit der Aufgabe der Befestigung Münchens im Jahr 1791 verschwanden nicht nur die mittelalterlichen Stadtmauern, sondern auch die barocken Bastionen.

Das Buch „Mauern, Tore, Bastionen. München und seine Befestigungen“ von Dr. Brigitte Huber befasst sich erstmals systematisch mit den mittelalterlichen Münchner Stadtmauer-Ringen und der im 17. Jahrhundert angelegten Wallbefestigung.