Bayerische Geschichte(n), 24/2015: Heiliger Leonhard, bitt für uns!

Die Pähler Leonhardifahrt ist berühmt für ihre Vielzahl geschmückter Festwägen und Kutschen. (Foto: Hubert Mayer)
Die Pähler Leonhardifahrt ist berühmt für ihre Vielzahl geschmückter Festwägen und Kutschen. (Foto: Hubert Mayer)

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Weibersterbn is koa Verderbn, aba Roßvarecka, des ko di schrecka“, sagte man früher in Bayern. Auch wenn man diesen derben Spruch nicht allzu wörtlich verstehen sollte, so weist er doch eindrücklich darauf hin, dass Pferde für die Bauern in früheren Jahrhunderten ein kostbarer Besitz waren. Und so erklärt es sich auch, warum die Verehrung des heiligen Leonhard, dem Patron des Viehs, besonders eng mit dem bayerischen Brauchtum verbunden ist, ja, dass er es sogar zum Ehrentitel „Bauernherrgott“ gebracht hat. Der Leonharditag am 6. November ist der Tag im Jahr, an dem die Bauern vielerorts in Bayern stolz ihre Rösser präsentieren und um den Segen des Viehpatrons bitten.

Votivbild mit dem heiligen Leonhard in der Kirche von Bauerbach (Foto: Hubert Mayer)
Votivbild mit dem heiligen Leonhard in der Kirche von Bauerbach (Foto: Hubert Mayer)

Die Lebensgeschichte des heiligen Leonhard von Limoges wurde erstmals im 11. Jahrhundert aufgeschrieben. Der Legende nach taufte und erzog ihn im fünften Jahrhundert der Erzbischof Remigius von Reims. Leonhard, der am Hof des Frankenkönigs Chlodwig aufwuchs, soll sich besonders um Gefangene gekümmert haben und sich beim König für ihre Freilassung eingesetzt haben. Später lebte er als Eremit in der Einsamkeit des unweit von Limoges gelegenen Waldes von Pauvain. Von seiner Zelle aus predigte er für Kranke und Hilfsbedürftige. Durch seine Gebete sollen die Ketten zahlreicher Gefangener zersprungen sein – deshalb wurde er zunächst als Schutzpatron der Gefangenen verehrt und mit einer Kette dargestellt. Dass er in Altbayern zum Viehheiligen wurde, liegt wohl daran, dass die Bauern in seinem Heiligenattribut die Stallkette zu erkennen glaubten, mit der sie ihr Vieh anhängten. Er wird von Bauern, Stallknechten, Schmieden und Schlossern, aber auch Obsthändlern und Bergleuten angerufen, hilft aber auch bei schweren Geburten und sogar gegen Kopfschmerzen.

Die Leonhardskirche in Forst wird nach altem Brauch in einer Prozession umritten. (Foto: Hubert Mayer)
Die Leonhardskirche in Forst wird nach altem Brauch in einer Prozession umritten. (Foto: Hubert Mayer)

Die Leonhardifahrt in Benediktbeuern ist beinahe ebenso bedeutend wie die in Tölz: Fünfzig prachtvoll geschmückte Wagen und weit über 200 herrliche Pferde ziehen zum Kloster, wo ein Wallfahrergottesdienst stattfindet. Auch in anderen Orten im Pfaffenwinkel, in Pähl, im Dießener Ortsteil Wengen finden Leonhardifahrten statt. In Bauerbach ist die Verehrung des heiligen Leonhard durch schriftliche Quellen bis ins Spätmittelalter belegt. In Forst bei Wessobrunn könnte der Leonhardiritt bereits zu Zeiten des Kaisers Friedrich Barbarossa stattgefunden haben, also im 12. Jahrhundert – zumindest legt das die örtliche Sage „Das große Rossesterben“ nahe.

Für ihre bildgewaltige und facettenreiche Liebeserklärung an den Pfaffenwinkel haben der Journalist Manfred Amann und der Fotograf Hubert Mayer mehrere Jahre recherchiert und die Geheimnisse von Land und Leuten, von Bergen, Tälern und Seen, von Geschichte und Geschichten, von Brauchtum und Tradition aufgespürt.