Bayerische Geschichte(n) 24/2011: Mit Fleischsaft zur herrschaftlichen Villa
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Jahrbuch der Millionäre von 1914 war er mit einem Vermögen von 3 Millionen Mark und einem jährlichen Einkommen von 240.000 Mark aufgeführt: Der Fabrikant Hermann Scholl hatte es als Hersteller des Fleischsaftes „Puro“ zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht.
Nun suchte Scholl für sich einen standesgemäßen Wohnsitz – und wurde fündig im neuen Münchner Villenviertel Prinz-Ludwigs-Höhe. Vom Bauunternehmer Jakob Heilmann erwarb er schließlich 1899 dessen Sommervilla. Für das auf einem über 3.000 m² großen Grundstück gelegene Wohnhaus mit Ziergarten und Pavillon zahlte Scholl 90.000 Mark. Doch schon 1905 ließ Scholl das Gebäude abbrechen und gab einen Neubau beim Bauunternehmer und Architekten Max Ostenrieder in Auftrag.
Für stolze 233.204 Mark entstand ein „Wohnhaus mit angebauter Terrasse und Portal, Gartenanlage, Automobilhalle und Sommerhalle“ in der Mendelssohnstraße 2 (heute: Pössenbacherstraße 21). 1907 konnte Scholl einziehen. Allein schon der Eingangsbereich war herrschaftlich: Über einen Flur betrat man eine 68 m² große zweigeschossige Halle mit einer an drei Seiten umlaufenden Galerie. Dieser Raum ging direkt in einen 35 m² großen Wintergarten über, der sich in einem gerundeten Erker nach Süden öffnete.
1909 ließ sich Scholl schließlich an der Nordseite seiner Villa eine Sternwarte mit drehbarer Kuppel errichten. Der promovierte Chemiker konnte auf diese Weise seiner Leidenschaft für Astronomie nachgehen. Auch in das oberste Gremium des erst wenige Jahre alten Deutschen Museums wurde Scholl immer wieder berufen und stiftete über 40 Exponate an die Sammlung des Museums.
Am 31. Juli 1943 starb Hermann Scholl im Alter von 74 Jahren. Im selben Jahr traf eine Fliegerbombe die Villa, 1979/80 wurde das Haus restauriert und steht heute unter Denkmalschutz.
Dorle Gribl präsentiert über 70 Villen in Solln und der Prinz-Ludwigs-Höhe aus ihrer Glanzzeit und erzählt von den einstigen Bewohnern.