Bayerische Geschichte(n), 22/2017: Zu rechter Zeit Jod zu keiner Zeit Not


Das Pumphaus der König-Ludwig-III.-Quelle (Foto: Klaus Kratzsch)

Liebe Leserin, lieber Leser,

bereits  im 19. Jahrhundert erweckten Ölvorkommen in der Gegend von Bad Wiessee das Interesse von zahlreichen Ölgesellschaften und privaten Unternehmern, die sich mittels Bohrungen auf die Suche nach dem „schwarzen Gold“ begaben. Einer von ihnen war der holländische Bergbauingenieur Adrian Stoop, dem es mit seiner „1. Bayerischen Petroleumgesellschaft“ gelang, einige hunderttausend Liter Erdöl zu fördern. Bei Stoops Bohrturm 3 kam es bei einer Tiefenbohrung im Jahr 1909 schließlich zur folgenreichen Entdeckung der „König-Ludwig-III.-Quelle“, die zwar  nicht das erhoffte Öl, jedoch etwas ebenso Lukratives zutage brachte: eine starke Jodschwefelquelle. Stoop erkannte schnell, dass das Heilwasser die weitere Zukunft der Tegernseer Talgemeinde maßgeblich beeinflussen würde.

Das alte Badehaus nach Umbauten der 1930er Jahre (Foto: Klaus Kratzsch)

Neben Adrian Stoop war es der Arzt Dr. Erwin von Dessauer, der eine gewichtige Rolle in der Entwicklung Bad Wiessees zum beliebten Kurort spielen sollte. Dessauer hatte gleich die balneologische Bedeutung der entdeckten Quelle erkannt und empfahl zunächst Wannenbäder und Trinkkuren. Schon bald wurden zwei erste Badekabinen mit Holzwannen angeboten, bis Stoop im Jahr 1912 das erste repräsentative Badehaus mit zwölf Badekabinen errichten ließ, das aber schon kurze Zeit später aufgrund der hohen Nachfrage erweitert werden musste. Die regenerative Kraft des Jodschwefels wird bei den Kurgästen  auch heute noch gegen rheumatische Beschwerden sowie Erkrankungen der Atemwege und Augen eingesetzt. Jedoch steht der Betrieb des Jod-Schwefelbads vor gravierenden Umbrüchen: 2017 soll nach den Plänen des Mailänder Architekten Matteo Thun das Badehaus einem neuen Gesundheitszentrum weichen.

Das ehemalige Hotel Lederer (Foto: Klaus Kratzsch)

Um die „Gesundheitstouristen“ im Kurort auch unterbringen zu können, war das Erbauen einiger Hotels vonnöten. Das „erste Haus“ am Ort war lange Zeit das 1925/26 erbaute Hotel Lederer, das bereits vor der Machtergreifung Hitlers ein beliebter Treffpunkt der NS-Prominenz, vor allem der SA-Führer  war. Diese Verbindung war es auch, die dem Hotel zu unrühmlicher Bekanntheit verhalf: Am 30. Juni 1934 stürmte Adolf Hitler, begleitet unter anderem von Joseph Goebbels und Rudolf Heß, das Zimmer mit der Nummer 7, in welchem sich der Stabschef der SA, Ernst Röhm, aufhielt, und nahm diesen unter Androhung von Waffengewalt gefangen.  Zum Teil noch in der derselben Nacht wurde ein Großteil der SA-Führung ermordet, Röhm wurde einen Tag später im KZ Dachau erschossen.  Der sogenannte „Röhm-Putsch“ markierte das Ende der SA und den Aufstieg der SS.

Die Entwicklung Bad Wiessees zum weithin bekannten und vom Tourismus geprägten Kurort begann mit der Entdeckung der Jodschwefelquellen Anfang des  20. Jahrhunderts.  In „Bad Wiessee – 10 Streifzüge durch Geschichte und Kultur“  führt Klaus Kratzsch zu den Badeanlagen, Kirchen, Hotels und öffentlichen Bauten, die als „Dokumente“ der Architekturgeschichte einen Blick in die Vergangenheit des Ortes ermöglichen.