Bayerische Geschichte(n), 21/2013: Weiß oder schwarz, lang oder kurz

1577 verlegte der Stecher Hans Weigel ein reich illustriertes Trachtenbuch, in dem verschiedene europäische Frauentrachten beschrieben werden. Die Nürnberger Braut trägt ein cremefarbenes Kleid, das mit weißem Pelz besetzt ist. Es handelt sich um ein sehr frühes Beispiel für ein weißes Brautkleid. (Bild: Antiquariat Dasa Pahor)
1577 verlegte der Stecher Hans Weigel ein reich illustriertes Trachtenbuch, in dem verschiedene europäische Frauentrachten beschrieben werden. Die Nürnberger Braut trägt ein cremefarbenes Kleid, das mit weißem Pelz besetzt ist. Es handelt sich um ein sehr frühes Beispiel für ein weißes Brautkleid. (Bild: Antiquariat Dasa Pahor)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Prinzessinnen sind Stilikonen: Das gilt für Kate Middleton ebenso wie es für Lady Diana, Grace Kelly oder eben Magdalena von Bayern galt. Die Schwester des bayerischen Herzogs Maximilian soll laut zeitgenössischen Quellen bei ihrer Hochzeit mit Wilhelm von der Pfalz im November 1613 ein weißes Brautkleid getragen haben – und wurde damit zur Trendsetterin. Auch Katharina de‘ Medici war eine der ersten weißgekleideten Bräute im 16. Jahrhundert. Es sollten jedoch noch mehr als 200 Jahre vergehen, bis das weiße Kleid überall zum üblichen Brautgewand wurde. Das cremefarbene Kleid mit Silberstickerei, das die 18-jährige Therese von Hildburghausen im Jahr 1810 bei ihrer Hochzeit mit dem bayerischen Kronprinzen Ludwig trug, war von der „Mode à la Grecque“ beeinflusst: Kaiserin Joséphine hatte bei ihrem Besuch in München 1805 mit ihren weißen, fließenden Gewändern und der hoch angesetzten Taille die Damenwelt in Verzückung versetzt.

Die Braut trägt auf dieser Fotografie aus dem Jahr 1950 einen schwarzen Schalk. Von der gewöhnlichen Festtracht unterscheidet sich die Hochzeiterin durch den silbernen Brautgürtel, den sie über der Schürze trägt. (Foto: Stadtarchiv Bad Tölz)
Die Braut trägt auf dieser Fotografie aus dem Jahr 1950 einen schwarzen Schalk. Von der gewöhnlichen Festtracht unterscheidet sich die Hochzeiterin durch den silbernen Brautgürtel, den sie über der Schürze trägt. (Foto: Stadtarchiv Bad Tölz)

Der „Traum in Weiß“ war jedoch eine höfische und später städtische Erscheinung. Eine bäuerliche Braut trug – und trägt bis heute – den schwarzen Schalk, ein aufwendiges Festtagsgewand, für das mehrere Meter schwerer französischer Seide, eine spezielle Schalkspitze, besondere Kordeln, Litzen und Perlmuttknöpfe verarbeitet werden. Ein solches Kleid nur für einen einzigen Tag anzufertigen, wäre in früheren Zeiten undenkbar gewesen. Felix Dahn schreibt dazu um 1860: „Eine hellfarbig gekleidete Braut wäre nach bäuerischen Begriffen ein frivoler Skandal und, wo solche Abweichung vorkommt, erscheint sie als eine wenig befolgte Nachäffung städtischer Mode.“ Er wundert sich: „Die Kleidung der Braut ist merkwürdigerweise fast überall identisch mit der Trauerkleidung.“ Bedenkt man allerdings die hohe Sterblichkeitsrate von Frauen im Kindbett, dann mag der Gang zum Traualtar für viele Mädchen tatsächlich schon der erste Schritt ins Grab gewesen sein.

Die Hochzeitskutsche hatte ausgedient, als dieses ausgelassene Hochzeitspaar sich 1960 in München das Ja-Wort gab. Die Braut trägt, ganz dem Zeitgeschmack entsprechend, ein kurzes Kleid. (Foto: Sebastian Winkler Verlag)
Die Hochzeitskutsche hatte ausgedient, als dieses ausgelassene Hochzeitspaar sich 1960 in München das Ja-Wort gab. Die Braut trägt, ganz dem Zeitgeschmack entsprechend, ein kurzes Kleid. (Foto: Sebastian Winkler Verlag)

Erst im viktorianischen Zeitalter wurde das weiße Brautkleid allgemein zum Symbol für die Jungfräulichkeit der Braut. In der christlichen Tradition kennzeichnet die Farbe Weiß außerdem immer den Beginn eines neuen Abschnitts: Das weiße Taufkleid und das Kommunionkleid sind ebenso wie das Brautkleid und letzten Endes das weiße Leichenhemd Sinnbild für diesen Übergang. Erst seit etwa 1850 ist das weiße Kleid für städtische Hochzeiten allgemein üblich. Es wandelt sich vom üppigen Korsagenkleid mit Volantrock über das Reform-Hängekleid und die eleganten schmalen Roben der dreißiger Jahre bis hin zum kurzen Brautkleid in den Sechzigern. Heutzutage allerdings besinnen sich viele Brautpaare auch bei der Kleidung auf Tradition und Brauchtum. Die Schalkschneiderinnen im Tölzer Land sind über Monate im Voraus ausgebucht – und es scheint so, als ob das völlig sinnentleerte weiße Hochzeitsdirndl nur eine zeitweilige Geschmacksverirrung gewesen wäre.