Bayerische Geschichten 19/2024: Die unbekannten Schönheiten Ludwigs I.

Liebe Leserin, lieber Leser,

bereits als Kronprinz kam König Ludwig I. auf die Idee, eine „Sammlung schöner Köpfe“ anzulegen. Und noch heute zieht diese Schönheitengalerie in Schloss Nymphenburg unzählige Besucher an. Die dort verewigten Damen sind weitgehend bekannt, doch wer kennt jene Schönheiten, die aus verschiedenen Gründen doch keine Aufnahme in die Galerie fanden? Die Historikerin und Spiegel-Bestseller-Autorin Cornelia Oelwein widmet sich nun 20 dieser zum Teil gänzlich in Vergessenheit geratenen Schönheiten. Sie zeichnet deren faszinierende Lebenswege nach, räumt dabei mit dem einen oder anderen hartnäckigen Gerücht auf und geht dem Geheimnis um das Gemälde der vermeintlichen „Gräfin Rambaldi“ auf den Grund.

Katharina Sigl-Vespermann (1803-1877), Gemälde von Joseph Stieler, 1828 (Bild: Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München)

Als eine der bekanntesten Sängerinnen der Münchner Oper wurde Katharina Sigl-Vespermann Ende 1828 vom Maler Joseph Stieler porträtiert. Von ihren Anfängen als Passauer Wunderkind über ihre prägende Zeit am Münchner Hoftheater bis zu ihren Kunstreisen nach Paris und London – wo immer Katharina Sigl-Vespermann auftrat, wurde sie gefeiert. Auch König Ludwig I. bewunderte Sigl-Vespermann, wenn auch nicht allein wegen ihres Gesangstalents, wie die ausgiebige Brief-Korrespondenz mit seiner „Katinka“ zeigt. Dass sie sich jedoch auch seinem Bruder Prinz Carl von Bayern zuwandte, führte schließlich zum Bruch mit dem verschmähten König. Das von Stieler bereits angefertigte Bildnis der Hofsängerin fand wohl aus diesem Grund nie Aufnahme in der Schönheitengalerie.

Pauline Hanfstaengl (1832-1864), Gemälde von Friedrich Dürck, 1849 (Bild: Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde)

36 Porträts sollte die Schönheitengalerie umfassen, doch 1850 war sie immer noch nicht komplett. Die Wahl des Königs für die finale Nummer 36 fiel auf die damals 18-jährige Pauline Hanfstaengl, die einzige Tochter des bekannten Münchner Fotografen Franz Hanfstaengl. Dieser wandte sich nach der Anfrage jedoch in einem Schreiben direkt an den Hofmaler Stieler. Die darin geäußerte Sorge um den Charakter seiner Tochter – der durch diese Bevorzugung verdorben werden könnte – war aber wohl nicht der vorrangige Grund, warum Hanfstaengl das königliche Ansinnen ablehnte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Skandal um die zuletzt in die Galerie aufgenommene Lola Montez noch zu präsent war, als dass man die eigene Tochter als nächste Schönheit in dieser Reihe sehen wollte. Schön genug wäre sie auf jeden Fall gewesen – doch ihr Vater sagte nein!

Natalia Dubelt, geborene Puschkin, verheiratete Gräfin von Merenberg (1836-1913), Gemälde von Makarov Ivan Kosmich, 1849 (Bild: Painters/Alamy Stock Foto)

Auch während seines Winteraufenthalts im Jahr 1862/63 in Nizza hielt Ludwig I. Ausschau nach geeigneten Köpfen für seine Sammlung. In den 1860er Jahren verbrachten viele Vertreter des russischen Hofs den Winter an der Cȏte d‘Azur, so auch die Tochter des Dichters Alexander Puschkin. Obwohl Natalia Dubelt, geborene Puschkin, keine Hofdame war, verkehrte sie auch nach dem bis heute nicht vollständig aufgeklärten Tod ihres Vaters in den zaristischen Kreisen. Sie galt als ausgesprochene Schönheit und auch ihre Abstammung dürfte den romantisch veranlagten König Ludwig I. begeistert haben. Letztendlich verhinderten logistische Gründe ihre Aufnahme in die Galerie, schließlich war die schöne Russin nur für einen bestimmten Zeitraum in Nizza. Bis der Maler aus München angereist wäre, wäre sie vermutlich längst wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Die spätere Gräfin von Merenberg bewahrte sich ihre Schönheit auch im Alter und lebte nach ihrer Heirat mit Prinz Nikolaus von Nassau zurückgezogen, aber standesgemäß.