Bayerische Geschichte(n), 17/2015: Bäume ausreißen kann ich jetzt nicht mehr…
Liebe Leserin, lieber Leser,
Sepp Daxenberger war ein Mann, der polarisierte. Für die einen war er nur ein Bauer vom Dorf, für viele andere aber ein politischer Hoffnungsträger. Er galt als Vertreter der einfachen Leute, als Verfechter der Interessen der Landwirte. 52 Landwirte aus dem Chiemgau wollten dem Landtagsabgeordneten Daxenberger, der selbst Biobauer war, deshalb im März 1994 eine Mistgabel zum „Ausmisten des Amigo-Saustalls in Bayern“ überreichen. Damit wollten sie Daxenberger als „letzten glaubwürdigen Vertreter ihre Standes“ den Rücken stärken. Die Vertreter der CSU, SPD und FDP missbilligten die „Auszeichnung“ mit einer Mistgabel als unerlaubte Demonstration, die der Würde des Hauses unangemessen sei. Dafür hatte Daxenberger natürlich kein Verständnis: „Für mich als Bauern hat die Verleihung der Mistgabel durch die Chiemgauer Bauern weit größere Bedeutung als beispielsweise der Bayerische Verdienstorden“ und „Der Landtag hot so vui Angst vor der Arbeit, dass er no net amal a Werkzeug eine lasst.“
Sepp Daxenberger war ein 100-Kilo-Mann, der schwere körperliche Arbeit verrichtete und keine Schwäche kannte. Er setzte sich durch gegen die tiefschwarze Konkurrenz im konservativen Bayern. Als einer der ersten grünen Bürgermeister ging er in die Geschichte ein. Als Fraktionsvorsitzender erreichte er bei der Landtagswahl 2008 mit 9,4 Prozent das beste Ergebnis, das die Grünen in Bayern je hatten. Dabei verlor er nie seine Glaubwürdigkeit. Seine Trachtenjacke legte er auch im Landtag nicht ab und der Gedanke, eine Krawatte anzulegen, kam ihm erst recht nicht in den Sinn: „Wenn mia oana sagt, für was de guat sei soi, dann zig i oane o!“ Seine Direktheit, seine Heimatliebe und seine Persönlichkeit – kurz: seine „Echtheit“ – machten ihn zu einer politischen Kultfigur. Anfang 2009 war er sogar der beliebteste Politiker Bayerns, knapp vor Ministerpräsident Seehofer. Für einen Moment schien sogar ein Machtwechsel mit dem charismatischen Daxenberger als Ministerpräsident möglich.
Doch dann kam alles anders. Schon im Dezember 2003 wurde bei dem Ausnahmepolitiker eine seltene Form von Knochenmarkkrebs diagnostiziert, die als unheilbar gilt. Anfangs witzelte er noch: „Wer wie ich 22 Jahre gegen die CSU gekämpft hat, wird auch so ein bisserl Krebs bekämpfen können.“ Im Herbst 2009 verschlechterten sich seine Blutwerte jedoch erneut. „Bäume ausreißen kann ich jetzt nicht mehr, aber das tun wir Grünen eh nicht“, musste er sich nach einem erneuten Krankenhausaufenthalt eingestehen. Im Juni 2010 legte Sepp Daxenberger seine Ämter nieder. Aber noch in seinem letzten Interview mit dem SZ-Magazin sagte er: „Ich bin ein optimistischer Mensch. Ich bin jetzt 48, wenn ich auf dem Level weiterarbeiten kann, habe ich noch Perspektiven. Momentan juckt mich eine landespolitische Karriere nicht so, aber in vier Jahren sind Kommunalwahlen. Wenn ich halbwegs fit bin, dann überleg ich mir das.“ Im August 2010 starb er, nur wenige Tage nach seiner Frau Gertraud, die ebenfalls an Krebs erkrankt war.
Die politische Biografie von Sepp Daxenberger, die der Münchner Politikwissenschaftler Franz Kohout jetzt vorgelegt hat, ist „mehrschichtig“: Neben einem klassischen biografischen Ansatz wird auch die Anfangsgeschichte alternativer Bewegungen und die der Grünen in Bayern reflektiert, gewissermaßen als Folie, die sich über das Leben Sepp Daxenbergers legt.