Bayerische Geschichte(n) 16/2010: Vom Bräuknecht zum Stadtrat
Liebe Leserin, lieber Leser,
am Abend des 27. Oktober 1933 hatte sich im Bierstüberl der Münchner Löwenbrauerei (ab 1942 „Löwenbräu“) ein „hoher“ Gast eingefunden. Mitten in der Nacht wurde dem Werksmeister der Brauerei der Auftrag erteilt, noch einige Weinflaschen in die Stube zu bringen, wo sich bereits zahlreiche leere Flaschen türmten. Anlass des Trinkgelages war der Besuch des NSDAP-Stadtrats und Kreistagspräsidenten Christian Weber, der ein reges Interesse an der ältesten Brauerei Münchens zeigte.
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Die Löwenbrauerei befand sich seit dem Jahr 1921 in Besitz der jüdischen Familie Schülein. Um den Besitz vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen, griff der Vorstandsvorsitzende der Brauerei, Dr. Hermann Schülein, auf das Mittel der Bestechung zurück. Und so flossen in der Folge hohe Geldsummen in die Taschen des korrupten Stadtrats, der sich auch eine Reise an die Riviera von der Brauerei bezahlen ließ. Für die Schüleins sollten sich die Investitionen schlussendlich auszahlen: Die Arisierung ihres Betriebes erfolgte unter ungewöhnlich günstigen Bedingungen.
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Christian Weber, „Alter Kämpfer“ aus der Frühzeit der Partei und Duzfreund Hitlers, hatte innerhalb der Partei eine erstaunliche Karriere gemacht. Der einstige „Bereiter“, Pferdehändler und Bräuknecht war dank seiner Beziehungen zur Parteispitze zum Führer der NSDAP-Fraktion im Stadtrat aufgestiegen. In der Münchner Bevölkerung war Weber jedoch aufgrund seiner Bestechlichkeit und seines verschwenderischen Lebensstils verhasst.
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Karrieren wie die Christian Webers gab es viele im nationalsozialistischen München. Neben berühmt-berüchtigten Personen wie Eleonore Baur, der „Blutschwester“ aus dem KZ Dachau, gab es auch weniger bekannte Fälle, so zum Beispiel das Verlegerehepaar Bruckmann, das Hitler in die bessere Gesellschaft eingeführt hatte, oder den Architekten Roderich Fick, der für zahlreiche Gebäude auf dem Obersalzberg verantwortlich war. In „Rechte Karrieren in München. Von der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegsjahre“ werden diese Fälle wieder aufgerollt. Erstmals geraten hier auch die Repräsentanten der Münchner Gestapo in den Fokus.